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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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los war. Knöpfles Mund wurde schmal wie ein Strich.
    „Befestigen Sie den Sender irgendwo hier ans Bettgestell. Sie kommt meistens nach sechs und bleibt bis sieben“, sagte er mit ruhiger Stimme. Seine Fröhlichkeit war einer sachlichen Entschlossenheit gewichen.
    Raabe klickte den Sender auf der Rückseite des Kopfendes an.
    „Also dann, bis heute Abend, ich werde da sein und mich im Flur aufhalten – eure Unterhaltung aufzeichnen. Hoffentlich klappt es – dass sie redet, meine ich.“
     
    Es gelang Knöpfle, die Tränen zurückzuhalten, bis sein Vorgesetzter die Tür hinter sich zugemacht hatte. Er biss die Zähne aufeinander und betätigte den Kippschalter an der Bettseite, um das Kopfende etwas hochzufahren, obwohl ihm die Schwester geraten hatte, wegen der OP-Wunde flach zu liegen. Er ballte die Fäuste. So ein Luder! Sollte sie nur kommen! Er wusste nicht, was größer war, seine Wut oder seine Enttäuschung.
    Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Er hatte Theresas beiläufigem Fragegeplänkel nie eine Bedeutung beigemessen. Wie auch. Vom siebten Himmel aus.
    Wie groß der Schaden war, den er angerichtet hatte, konnte er im Augenblick nicht ermessen, wusste nicht mehr, was er alles preisgegeben hatte. Ich Trottel!, schalt er sich selbst. So erwartete er Theresas Besuch mit großem Zorn und schärfte sich ein, sich nichts anmerken zu lassen. Disziplin war angesagt und Diplomatie.
    Sie kam hereingehuscht mit dem süßesten Lächeln auf dem Engelsgesicht und der Zauber ihrer Figur erregte schmerzhaft seine Libido. Er verhinderte den obligatorischen Begrüßungskuss, indem er sie an den Handgelenken packte, als sie sich zu ihm hinunterbeugte. Seine Hände wurden zum Schraubstock. Er bebte am ganzen Körper und zischte: „Es hat sich ausgeküsst!“
    „Was ist in dich gefahren, lass mich los, du tust mir weh!“
    „An wen hast du die Daten verkauft?“
    Keine Antwort. Trotziges Schweigen. Feindseliger Blick. Dunkle Röte überzog das Engelsgesicht. Er ließ ihre Handgelenke los, schnappte sie blitzschnell am Kragen und brüllte:
    „An wen? An wen?“ Er schüttelte sie und wurde lauter. „An wen? An wen?“ Er verlor vollends die Kontrolle, legte seine Hände um ihren Hals und drückte zu. Raabe stürzte ins Zimmer, die Stationsschwester hinterher. Sie konnten gemeinsam die Katastrophe verhindern. Theresa Schwarz richtete sich hustend und prustend auf und rannte davon.
    Raabe setzte sich kopfschüttelnd auf den Bettrand.
    „Idiot.“
    „Ich weiß, ich habe es versiebt.“ Knöpfle bebte am ganzen Körper und seine Augen liefen über.
    „Nicht nur das. Wenn sie dich anzeigt, bist du geliefert, und kein Mensch kann dir helfen.“
    „Es geht doch nicht um mich“, Knöpfle hob den Kopf an und stopfte sich das Kopfkissen unter den Nacken, „Chance verpatzt, die Teufel zu fangen ...“ Er schloss die Augen.
    „Die Schwarz kriegt eine Vorladung und sie wird reden. Ich werde jetzt gehen und Sie werden jetzt schlafen ... Wir müssen abwarten, wie die Dinge sich entwickeln. Wir können nicht ausschließen, dass ich Sie festnehmen muss, nur hoffen, dass uns das erspart bleibt. Gute Nacht.“
    Schnarchende Atemzüge waren die Antwort des total erschöpften Knöpfle. In Schweiß gebadet wachte er auf. Es war ihm schlecht. Er stand vorsichtig auf, schlurfte zur Waschecke hinüber und erfrischte sein Gesicht mit kaltem Wasser. Es half nichts. Aber gehen konnte er – ganz sachte. Was er brauchte, war frische Luft. Er zog den Bademantel über, öffnete die Tür und spähte auf den Flur. Menschenleer und still. Hinter dem Haus gab es einen Park und da war eine Bank.
     
    ***
     
    Theresa Schwarz zeigte niemanden an, sie verschwand und blieb verschwunden. Nicht erreichbar, wie vom Erdboden verschluckt. Knöpfle kam in Untersuchungshaft. Schwester Monika gehörte zu dem kleinen Kreis der Personen, die Theresa zuletzt gesehen hatten, und war Zeugin des „versuchten Mordes“ an der jungen Frau, das musste sie doch aussagen.
    „Hoffentlich kann Koko verhindern, dass es zur Anklage kommt“, stöhnte Raabe. Knöpfles Abwesenheit war für ihn ein gravierender Verlust. Er strich den Wust auf seinem Schreibtisch kurzerhand in die Schublade. Wie sich in dieser Situation konzentrieren? Er griff nach dem Hörer, um von Koko, der den inhaftierten Beamten Köpfle als Anwalt vertrat, den letzten Stand zu erfahren, hielt jedoch plötzlich inne. Das musste nicht unbedingt in Gegenwart des Kollegen sein, der Knöpfle vertrat.

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