Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Geburtstag gönnte er sich einen besinnlichen Abend mit ihr im „Neuhof“, ihrem Lieblingsrestaurant draußen vor den Toren der Stadt.
Der Abend und das Essen waren wunderbar wie immer. Als der Kellner den Nachtisch servierte, musizierte es in seiner Westentasche. Es war Koko, der ihn dringend bat, auf dem Heimweg bei ihm vorbeizuschauen, er habe wichtige Neuigkeiten.
„Okay, wir sind in einer halben Stunde da.“
Sie verzichteten diesmal auf ihren üblichen Spaziergang durch das Hofgut – zwischen blühenden Büschen am Weiher entlang – und fuhren gleich los.
„Vielleicht gibt es endlich einen Lichtblick … es wäre Koko zu gönnen.“
„Und vor allem Edmund“, sagte Marion. „Wie mag es ihm wohl ergehen?“
„Das fragen sich Bruder, Frau und Mutter Tag für Tag vierundzwanzig Stunden lang.“
„Es war falsch von deinem Vorgesetzten, dir Anfang des Jahres die Hände zu binden. Vielleicht wäre das mit Edmund nicht passiert und all die anderen längst wieder daheim. Schließlich warst du ganz nah dran, die …“
„War ich nicht, leider, ich tappte in totaler Finsternis.“
„Aber inzwischen hättest du …“
„Vergiss es, Liebes. Vermisstenanzeigen gehören nun mal nicht in mein Ressort. Damals konnte ich auch nur ausnahmsweise durch den Mordverdacht der Ehefrau des Vermissten Jochen Jacobson dranbleiben an dem Spuk. Du erinnerst dich doch an den Fall?“
„Ja. An das Zeitungsfoto von ihm mit Frau und vier oder fünf Kindern. Er war von dem sprichwörtlichen Gang zum Briefkasten nicht zurückgekommen und eine Woche vorher war ein Mordanschlag auf ihn verübt worden. Jemand hatte seine Bremsleitung durchschnitten, jemand, der wusste, dass er eine Fahrt den Vilbeler Berg hinunter vor sich hatte.“
„Der Verdacht konnte nicht erhärtet werden. Zudem fand sich ein ‚Freund‘, der behauptete, Jacobson habe sich schon eine Zeit lang mit dem Gedanken getragen, auf und davon zu laufen. Das und die Aussage der Nachbarin, Jacobsons hätten sich in letzter Zeit oft gestritten und am Tag vor seinem Verschwinden besonders heftig. Das alles untergrub den Mordverdacht und ich war ruck, zuck raus aus dem Fall ... Er wurde zum reinen Fall fürs Vermisstendezernat, für Hübner.“
„Und der tut außer Achselzucken nichts … die Zahl der Vermissten steigt und steigt, aber er tut nichts.“
„Hübner ist eben eine Pfeife. Aber Koko kümmert sich um den Fall der Entführungen und ich helfe, wo ich nur kann. Gottlob ist Knöpfle mit im Boot – wenn auch jetzt für eine Weile im Bett.“
Koko hatte bereits das Tor zu seinem Grundstück geöffnet und erwartete sie am Hauseingang. Horst fragte noch vor der Begrüßung: „Gibt es Neues um Edmund?“
„Jein“, antwortete Koko, „aber kommt erst mal rein.“
Beate und Lydia ließen sich von den Besuchern umarmen und alle fünf setzten sich gleich um den runden Tisch in der Diele, auf dem Wasser, Säfte und Gläser bereitstanden. Koko kam sofort zur Sache:
„Zunächst zum Krollekopp: Tutzing streitet selbstredend alles ab. Er hat nur laut gelacht. Zugegeben, es war nicht sonderlich klug von mir, ihm meinen Verdacht auf den Kopf zuzusagen. Ich hatte gehofft, ihn zu verunsichern, damit er sich verplappert und verrät. Gut. Ich habe mich verrechnet, aber ich bin sicher, dass er Egon Kanzel gekidnappt hat. Sicher auch, dass er kein Einzeltäter ist, sondern für eine Entführungsmafia arbeitet. Vielleicht ist er sogar ein Glied derselben. Glatt wie ein Aal und jedem Dialog gewachsen. Und schlau. Er wird in nächster Zeit nichts anderes tun als den braven Reiseberater abgeben, doch auf Dauer kann er das nicht, darum observieren wir ihn ab sofort und ohne Ende, bis wir ihn dabei ertappen, dass er für das Syndikat in irgend einer Form aktiv wird. Und wir checken sein privates und geschäftliches Umfeld, auch die Silverbirdzentrale in Moskau. Hans Rehbeins Moskaukontakt ist mobilisiert und aus pekuniären Gründen motiviert. Ich konnte Dr. Leitmeier dafür gewinnen, die Kosten dieses Ermittlungskomplexes zu übernehmen.
Nun zum nächsten Punkt.“ Koko nahm einen Schluck Wasser. „Wir haben endlich einen gemeinsamen Nenner der Entführten gefunden. Die Auswertung der Fragebögen hat ergeben, dass sie allesamt kurze Zeit vor ihrem Verschwinden die DKD in Wiesbaden, die Deutsche Klinik für Diagnostik, konsultiert hatten ... alle haben hervorragende Resultate, sie sind, mit anderen Worten, durch die Bank kerngesund. Das erklärt den hohen Anteil
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