Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
Wachen den Flur entlanggerannt kommen.
    »Sie hat das Mädchen entkommen lassen«, sagt Fred, ohne ihnen Gelegenheit zu geben zu fragen, was los ist. Die Verachtung in seiner Stimme ist überdeutlich.
    »Sie hat mich geschlagen«, wiederhole ich.
    Ich spüre, wie Marcus mich ansieht. Ich meide absichtlich seinen Blick. Er kann unmöglich wissen, dass ich Lena habe entkommen lassen. Ich habe nicht durchblicken lassen, dass ich sie kannte; ich habe sorgfältig darauf geachtet, sie im Auto nicht anzusehen.
    Als Marcus’ Blick zu Fred zurückwandert, erlaube ich mir auszuatmen.
    »Was sollen wir tun?«, fragt Marcus.
    »Ich weiß es nicht.« Fred reibt sich über die Stirn. »Ich muss nachdenken. Verdammt. Ich muss nachdenken .«
    »Das Mädchen hat irgendwas von Verstärkung in der Essex Street geredet«, sage ich. »Sie hat gesagt, in jedem Haus in der Straße wäre ein Invalide postiert.«
    »Scheiße.« Fred steht einen Moment ruhig da und starrt in den Garten hinaus. Dann strafft er die Schultern. »Also gut. Ich rufe die 1–1–1 an, um Verstärkung anzufordern. Geht ihr in der Zwischenzeit da raus und durchkämmt die Straßen. Achtet auf Bewegung in den Bäumen. Lasst uns so viele von diesen kleinen Scheißkerlen wie möglich aufstöbern. Ich komme gleich nach.«
    »Verstanden.« Marcus und Bill verschwinden im Flur.
    Fred nimmt den Telefonhörer ab. Ich lege ihm eine Hand auf den Arm. Er dreht sich verärgert zu mir um und legt wieder auf.
    »Was willst du?«, stößt er hervor.
    »Geh nicht da raus, Fred«, sage ich. »Bitte. Das Mädchen hat gesagt – das Mädchen hat gesagt, dass die anderen Waffen haben. Sie hat gesagt, sie würden das Feuer eröffnen, sobald du nur den Kopf zur Tür rausstreckst …«
    »Mir passiert schon nichts.« Er entzieht mir seinen Arm.
    »Bitte«, wiederhole ich. Ich schließe die Augen und spreche in Gedanken ein kurzes Gebet. Es tut mir leid. »Das ist es nicht wert, Fred. Wir brauchen dich. Bleib drinnen. Lass die Polizei ihre Arbeit machen. Versprich mir, dass du das Haus nicht verlässt.«
    An seinem Kiefer zuckt ein Muskel. Ein langer Augenblick verstreicht. Ich rechne jede Sekunde mit dem Knall: einem Tornado aus Holzsplittern, einem tosenden Feuersturm. Ob es wohl wehtun wird?
    Gott, vergib mir, denn ich habe gesündigt.
    »Also gut«, sagt Fred schließlich. »Ich verspreche es.« Er nimmt wieder den Hörer ab. »Bleib einfach aus dem Weg. Ich will nicht, dass du irgendwas vermasselst.«
    »Ich bin oben«, sage ich. Er hat mir bereits den Rücken zugekehrt.
    Ich gehe in den Flur und lasse die Schwingtüren hinter mir zufallen. Ich kann das gedämpfte Geräusch seiner Stimme durch das Holz hören. Jeden Moment wird jetzt das Inferno losbrechen.
    Ich denke darüber nach, nach oben zu gehen, in das, was mein Zimmer gewesen wäre. Ich könnte mich hinlegen und die Augen schließen; ich bin beinahe so müde, dass ich schlafen könnte.
    Aber stattdessen drücke ich leise die Hintertür auf, gehe über die Veranda und hinunter in den Garten, vorsichtig darauf bedacht, außer Sichtweite der großen Küchenfenster zu bleiben. Die Luft riecht nach Frühling, nach nasser Erde und neuem Wachstum. In den Bäumen singen Vögel. Nasses Gras klebt an meinen Knöcheln und beschmutzt den Saum meines Hochzeitskleids.
    Die Bäume hüllen mich ein und dann kann ich das Haus nicht mehr sehen.
    Ich werde nicht bleiben, um ihm beim Brennen zuzuschauen.

lena
    D
ie Highlands brennen.
    Ich rieche das Feuer schon lange, bevor ich dort bin. Als ich noch fünfhundert Meter entfernt bin, sehe ich Rauch über den Bäumen und Flammen, die von den alten, verwitterten Dächern aufsteigen.
    In der Harmon Road habe ich eine offene Garage und ein rostiges Fahrrad entdeckt, das wie eine Jagdtrophäe an der Wand hing. Auch wenn das Fahrrad Schrott ist und die Gänge ächzen und protestieren, wenn ich zu schalten versuche, ist es besser als nichts. Das Rasseln der Kette und das laute Heulen des Windes in meinen Ohren machen mir nichts aus. Der Lärm verhindert, dass ich an Hana denke und zu verstehen versuche, was geschehen ist. Er übertönt ihre Stimme in meinem Kopf, die sagt: Geh .
    Er übertönt allerdings nicht den Knall und die Sirenen, die ihm folgen. Ich kann sie sogar noch wie Schreie anschwellen hören, als ich fast in den Highlands bin.
    Ich hoffe, dass sie rausgekommen ist. Ich bete, dass sie es geschafft hat, obwohl ich nicht mehr weiß, zu wem ich eigentlich bete.
    Und dann bin ich in Deering

Weitere Kostenlose Bücher