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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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verantwortlich.
    »Dafür, dass ich den Aufsehern das mit der Brooks Street 37 verraten habe«, sagt sie. »Dafür, dass ich dich und Alex verraten habe.«
    Da schaltet sich mein Gehirn plötzlich ab. »Was?«
    »Ich habe euch verraten.« Sie atmet ganz leicht auf, als wäre es eine Erleichterung, die Worte ausgesprochen zu haben. »Es tut mir leid. Ich war eifersüchtig.«
    Ich kann nicht sprechen. Ich schwimme durch Nebel. »Eifersüchtig?«, gelingt es mir hervorzustoßen.
    »Ich … ich wollte das, was du mit Alex hattest. Ich war verwirrt. Mir war nicht klar, was ich da tat.« Sie schüttelt erneut den Kopf.
    In mir dreht sich alles, mir ist übel. Das kann nicht sein. Hana – die tolle Hana, meine beste Freundin, furchtlos und unbesonnen. Ich habe ihr vertraut. Ich habe sie geliebt. »Du warst meine beste Freundin.«
    »Ich weiß.« Sie wirkt erneut beunruhigt, als versuchte sie sich an die Bedeutung dieser Worte zu erinnern.
    »Du hattest doch alles .« Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme lauter wird. Die Wut vibriert, durchfährt mich wie elektrischer Strom. »Ein perfektes Leben. Perfekte Noten. Alles.« Ich mache eine Geste durch die makellose Küche, zur Sonne hin, die wie zerlassene Butter über die Arbeitsplatte aus Marmor fließt. »Ich hatte nichts. Er war das Einzige. Mein einziger …« Die Übelkeit steigt auf und ich mache einen Schritt nach vorn, balle die Fäuste, blind vor Wut. »Warum konntest du mir das nicht lassen? Warum musstest du mir das nehmen? Warum nimmst du dir einfach alles?«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass es mir leidtut«, wiederholt Hana mechanisch. Ich könnte laut auflachen. Ich könnte heulen oder ihr die Augen auskratzen. Stattdessen haue ich ihr eine runter. Der Strom fließt in meine Hand, in meinen Arm, bevor ich weiß, was ich tue. Das Geräusch ist unerwartet laut und einen Moment rechne ich fest damit, dass die Wachen zur Tür hereinplatzen werden. Aber es kommt keiner.
    Augenblicklich rötet sich Hanas Gesicht. Aber sie schreit nicht auf. Sie gibt keinen Ton von sich.
    In der Stille kann ich meinen eigenen Atem hören – abgehackt und verzweifelt. Ich spüre, dass ich den Tränen nahe bin. Ich schäme mich, bin wütend und mir ist übel – alles gleichzeitig.
    Hana dreht sich langsam zu mir um. Sie sieht fast traurig aus. »Das habe ich verdient«, sagt sie.
    Plötzlich bin ich vollkommen erschöpft. Ich bin es leid zu kämpfen, zu schlagen und geschlagen zu werden. So seltsam ist die Welt, dass Menschen, die einfach nur lieben wollen, stattdessen gezwungen sind, Krieger zu werden. Das Leben steht Kopf. Ich kann nichts weiter tun, als zu verhindern, wieder auf den Stuhl zu sinken.
    »Hinterher ging’s mir schrecklich«, sagt Hana mit einer Stimme, die nicht viel mehr ist als ein Flüstern. »Das solltest du wissen. Deshalb habe ich dir geholfen zu fliehen. Ich habe es« – Hana sucht nach dem richtigen Wort – »bereut.«
    »Und jetzt?«, frage ich sie.
    Hana hebt eine Schulter. »Jetzt bin ich geheilt«, sagt sie. »Das ist anders.«
    »Wie, anders?« Einen Sekundenbruchteil wünschte ich – mehr als alles andere, mehr als zu atmen –, dass ich hiergeblieben wäre, bei ihr, den Dingen ihren Lauf gelassen hätte.
    »Ich fühle mich freier«, sagt sie. Was auch immer ich zu hören erwartet habe, das war es nicht. Sie bemerkt meine Überraschung offenbar, denn sie fährt fort: »Alles ist irgendwie … gedämpft. So wie Töne unter Wasser. Ich muss nicht mehr so viel für andere empfinden.« Einer ihrer Mundwinkel verzieht sich zu einem Lächeln. »Aber vielleicht habe ich das auch noch nie, genau wie du sagst.«
    Ich habe Kopfschmerzen. Vorbei. Es ist alles vorbei. Ich will mich einfach nur zusammenrollen und schlafen. »So habe ich es nicht gemeint. Das hast du. Dinge für andere empfunden, meine ich. Früher zumindest.«
    Ich bin nicht sicher, ob sie mich hört. Sie sagt, fast als wäre es ihr noch eingefallen: »Ich muss auf keinen mehr hören«. Irgendetwas an ihrem Tonfall ist seltsam – fast triumphierend. Als ich sie ansehe, lächelt sie. Ich frage mich, ob sie an irgendjemand Bestimmten denkt.
    Man hört eine Tür auf- und zugehen und das Bellen einer Männerstimme. Hanas Miene verändert sich vollkommen. Sie wird augenblicklich wieder ernst. »Fred«, sagt sie. Sie tritt schnell zu den Schwingtüren hinter mir und streckt vorsichtig den Kopf in den Flur. Dann dreht sie sich plötzlich atemlos zu mir um.
    »Los, komm«, sagt sie.

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