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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Eiswürfeln, die fröhlich aneinanderklappern.
    »Iss«, sagt sie. »Trink.«
    »Ich habe keinen Hunger«, lüge ich.
    Sie verdreht die Augen und ich sehe erneut die alte Hana in dieser neuen Hochstaplerin auftauchen. »Red keinen Unsinn. Natürlich hast du Hunger. Du bist ja fast verhungert. Wahrscheinlich bist du auch kurz vorm Verdursten.«
    »Warum tust du das?«, frage ich sie.
    Hana klappt den Mund auf und dann wieder zu. »Wir waren mal Freundinnen«, sagt sie.
    »Waren«, sage ich mit fester Stimme. »Jetzt sind wir Feindinnen.«
    »Sind wir das?« Hana sieht erschrocken aus, als wäre ihr dieser Gedanke noch gar nicht gekommen. Ich verspüre erneut ein aufkeimendes Unbehagen, bohrende Schuldgefühle. Irgendetwas stimmt nicht. Ich verdränge die Gefühle.
    »Natürlich«, sage ich.
    Hana betrachtet mich noch eine Weile. Dann steht sie unvermittelt vom Tisch auf und geht zum Fenster. Sobald sie mir den Rücken zugekehrt hat, nehme ich schnell ein Stück Brot und stopfe es mir in den Mund, esse so schnell ich kann, ohne mich zu verschlucken. Ich spüle es mit einem großen Schluck Wasser runter, das so kalt ist, dass es mir heftige, herrliche Kopfschmerzen verursacht.
    Hana sagt lange nichts. Ich esse noch ein Stück Brot. Sie kann mich zweifellos kauen hören, aber sie sagt nichts dazu und dreht sich auch nicht um. Sie gestattet mir so zu tun, als würde ich nicht essen, und ich bin ihr dankbar dafür.
    »Das mit Alex tut mir leid«, sagt sie schließlich, immer noch ohne sich umzudrehen.
    Jetzt habe ich Bauchschmerzen. Zu viel; zu schnell.
    »Er ist nicht tot.« Meine Stimme klingt übermäßig laut. Ich weiß nicht, warum ich den Drang habe, ihr das zu sagen. Aber sie soll erfahren, dass ihre Seite, ihre Leute, nicht gewonnen haben, zumindest nicht in diesem Fall. Obwohl sie das natürlich in gewisser Weise doch haben.
    Sie dreht sich um. »Was?«
    »Er ist nicht tot«, wiederhole ich. »Er wurde in die Grüfte geworfen.«
    Hana zuckt zusammen, als hätte ich die Hand ausgestreckt und sie geschlagen. Sie nimmt erneut die Unterlippe in den Mund und kaut darauf herum. »Ich …« Sie hält inne und runzelt leicht die Stirn.
    »Was?« Ich kenne das Gesicht; ich erkenne es wieder. Sie weiß etwas. »Was ist?«
    »Nichts, ich …« Sie schüttelt den Kopf, als wollte sie einen Gedanken daraus verdrängen. »Ich dachte, ich hätte ihn gesehen.«
    Mein Magen scheint sich plötzlich auszudehnen. »Wo?«
    »Hier in Portland.« Sie sieht mich wieder mit diesem undurchdringlichen Gesichtsausdruck an. Die neue Hana ist viel schwerer zu deuten als die alte. »Gestern Abend. Aber wenn er in den Grüften ist …«
    »Ist er nicht. Er ist geflohen.« Hana, das Licht, die Küche – sogar die Bombe, die lautlos unter uns tickt und uns langsam der Zerstörung näher bringt – kommen mir plötzlich ganz weit weg vor. Als Hana das sagt, erkenne ich, dass es Sinn ergibt. Alex war allein. Natürlich würde er irgendwo hingehen, wo er sich auskennt.
    Alex könnte hier sein – in Portland. Ganz in der Nähe. Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung.
    Wenn ich nur irgendwie hier rauskomme.
    »Und?« Ich stehe auf. »Rufst du jetzt die Aufseher, oder was?«
    Sogar im Reden schmiede ich Pläne. Ich könnte sie notfalls wahrscheinlich überwältigen, aber die Vorstellung, sie anzugreifen, gefällt mir nicht. Und sie würde sich sicher wehren. Sobald ich die Oberhand gewonnen hätte, wären bereits die Wachen hier.
    Aber wenn ich sie für einen kurzen Moment aus der Küche locken kann, könnte ich durchs Fenster klettern, durch den Garten rennen und versuchen die Wachen zwischen den Bäumen abzuhängen. Der Garten grenzt wahrscheinlich an eine andere Straße; wenn nicht, muss ich einen Bogen zur Essex Street schlagen. Es ist ziemlich aussichtslos, aber es besteht immerhin eine kleine Chance.
    Hana beobachtet mich unbewegt. Die Uhr über dem Herd scheint in Rekordgeschwindigkeit vorzurücken und ich stelle mir vor, wie der Zeitzünder an der Bombe ebenfalls vorwärtstickt.
    »Ich möchte mich bei dir entschuldigen«, sagt sie ruhig.
    »Ach ja? Und wofür?« Ich habe keine Zeit für so was. Wir haben keine Zeit für so was. Ich schiebe die Gedanken daran beiseite, was aus Hana wird, selbst wenn es mir gelingt zu entkommen. Sie wird hier sein, im Haus …
    Mein Magen krampft. Ich fürchte, gleich kommt das ganze Brot wieder raus. Ich muss mich konzentrieren. Was aus Hana wird, geht mich nichts an, und ich bin auch nicht dafür

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