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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Dinge sie erlebt hat.
    Am Rand des Feuers ist ein zerbeulter Topf halb in der Asche vergraben. Darin ist noch ein bisschen Eintopf aus Weizenmehl und schwarzen Bohnen, ein Rest vom gestrigen Abendessen. Er ist völlig eingekocht und schmeckt nach nichts. Ich löffele etwas davon in eine Blechtasse und zwinge mich, schnell zu essen.
    Als ich fast fertig bin, kommt Alex mit einer Plastikkanne voll Wasser aus dem Wald. Ich blicke instinktiv auf, um zu gucken, ob er mich wahrnimmt, aber er sieht wie üblich durch mich hindurch.
    Er geht an mir vorbei und setzt sich neben das neue Mädchen.
    »Hier«, sagt er. Seine Stimme ist sanft, die Stimme des früheren Alex, des Alex aus meiner Erinnerung. »Ich habe dir Wasser geholt. Keine Sorge, es ist sauber.«
    »Danke, Alex«, erwidert sie. Der Name klingt falsch aus ihrem Mund und lässt mich schwindeln, so wie ich mich als Kind beim Strawberry-Festival im Eastern Promenade Park gefühlt habe, wenn ich im Saal mit den Zerrspiegeln stand – als wäre alles verdreht.
    Tack, Pike und ein paar der anderen kommen direkt hinter Alex aus dem Wald und bahnen sich einen Weg durch das dichte Geäst. Julian ist einer der Letzten, der auftaucht, und ich stehe auf, laufe zu ihm und werfe mich in seine Arme.
    »Wow.« Er lacht, stolpert ein Stück rückwärts und drückt mich an sich, ganz offensichtlich freudig überrascht. Ich bin sonst vor den anderen nie so zärtlich zu ihm. »Was ist das denn?«
    »Ich habe dich vermisst«, sage ich und bin ohne Grund ganz atemlos. Ich lehne die Stirn an sein Schlüsselbein, lege eine Hand auf seine Brust. Der Rhythmus beruhigt mich – es gibt ihn wirklich und er ist jetzt da.
    »Wir haben die ganze Gegend in einem Radius von fünf Kilometern abgesucht«, sagt Tack. »Alles in Ordnung. Die Schmarotzer müssen in die andere Richtung weitergezogen sein.«
    Julian versteift sich. Ich drehe mich zu Tack um.
    »Schmarotzer?«, frage ich.
    Tack wirft mir einen Blick zu, ohne zu antworten. Er ist vor dem neuen Mädchen stehen geblieben. Alex sitzt immer noch neben ihr. Sein und ihr Arm sind nur wenige Zentimeter voneinander entfernt und ich starre auf die Lücke zwischen ihren Schultern und Ellbogen, die aussieht wie die Hälfte einer Sanduhr.
    »Du kannst dich nicht mehr erinnern, wann genau sie gekommen sind?«, fragt er das Mädchen und ich merke, dass er sich bemüht, nicht zu ungeduldig zu klingen. An der Oberfläche ist Tack ziemlich bissig – bissig und kantig, genau wie Raven. Deshalb kommen die beiden so gut miteinander aus.
    Das Mädchen beißt sich auf die Lippe. Alex berührt sanft und beruhigend ihre Hand und mir wird plötzlich übel.
    »Komm, Coral«, sagt er. Coral. Natürlich heißt sie Coral – Koralle. Schön und zerbrechlich und etwas Besonderes.
    »Ich … ich kann mich nicht erinnern.« Ihre Stimme ist fast so tief wie die eines Jungen.
    »Versuch es«, sagt Tack. Raven wirft ihm einen Blick zu, ihr Ausdruck ist deutlich. Dräng sie nicht.
    Das Mädchen zieht sich die Decke fester um die Schultern. Sie räuspert sich. »Sie sind vor ein paar Tagen gekommen – vor drei oder vier. Ich weiß es nicht genau. Wir haben zufällig eine alte Scheune gefunden, die noch vollkommen unbeschädigt war … Wir waren nur eine kleine Gruppe, David und Tigg und … und Nan.« Ihre Stimme bricht ein wenig und sie holt tief Luft. »Und noch ein paar andere, acht insgesamt. Wir waren schon zusammen, seit ich in der Wildnis bin. Mein Großvater war Priester einer der alten Religionen.« Sie sieht trotzig zu uns auf, als wollte sie uns herausfordern, sie zu kritisieren. »Er hat sich geweigert, zur Neuen Ordnung überzutreten, und wurde umgebracht.« Sie zuckt mit den Schultern. »Seitdem wurde meine Familie verfolgt. Und als sich meine Tante als Sympathisantin entpuppte … na ja, da standen wir auf der schwarzen Liste. Fanden keinen Job und keinen Partner, um unser Leben zu retten. Es gab niemanden in Boston, der uns eine Wohnung vermietet hätte – abgesehen davon, dass wir die Miete gar nicht hätten bezahlen können.«
    Ihre Stimme ist von Bitterkeit durchdrungen. Ich erkenne, dass nur das gerade erlittene Trauma sie zerbrechlich wirken lässt. Unter normalen Umständen ist sie eine Anführerin – wie Raven. Wie Hana.
    Ich verspüre einen erneuten Stich der Eifersucht, als ich Alex dabei beobachte, wie er sie betrachtet.
    »Die Schmarotzer«, erinnert Tack sie.
    »Lass es gut sein, Tack«, wirft Raven ein. »Sie kann noch nicht

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