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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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offizielle Haltung war, dass die Krankheit während der Offensive ausgemerzt und alle Infizierten ausgelöscht worden waren. Die Liebe gab es nicht mehr. Anzuerkennen, dass die Gemeinschaften aus Invaliden existierten, wäre einem Eingeständnis ihres Scheiterns gleichgekommen.
    Aber jetzt kann die Propaganda nicht länger dagegen angehen. Die Widerstandsbewegung ist zu groß und zu sichtbar geworden. Sie können uns nicht länger ignorieren oder vorgeben, dass es uns nicht gibt – also müssen sie jetzt versuchen, uns zu vernichten.
    »Wir werden ja sehen, wie gut es sich anfühlt, wenn uns die Schmarotzer im Schlaf rösten«, gibt Dani zurück.
    »Bitte.« Raven steht auf. Eine weiße Strähne durchzieht ihre schwarzen Haare; die ist mir bisher nie aufgefallen und ich frage mich, ob sie schon immer da war oder erst kürzlich aufgetaucht ist. »Wir müssen einfach vorsichtiger sein. Wir werden die Plätze für unsere Lager sorgfältiger auswählen und nachts muss jemand Wache halten. Okay? Wenn sie uns jagen, müssen wir schneller und schlauer sein. Und wir müssen zusammenarbeiten. Es gibt täglich mehr von uns, nicht wahr?« Sie sieht Pike und Dani an, dann wendet sie sich wieder Coral zu. »Meinst du, du bist kräftig genug, um zu laufen?«
    Coral nickt. »Ich glaube schon.«
    »Also dann.« Tack wird offenbar kribbelig. Es ist bestimmt schon zehn. »Lasst uns eine letzte Runde drehen, die Fallen abgehen, einpacken. Wir brechen so bald wie möglich auf.«
    Tack und Raven haben zwar nicht mehr uneingeschränkte Macht über die Gruppe, aber sie können Leute immer noch dazu bringen, sich in Bewegung zu setzen. Niemand widerspricht. Wir sind inzwischen seit fast drei Tagen in der Nähe von Poughkeepsie und jetzt, da wir uns für ein Ziel entschieden haben, wollen wir alle auch unbedingt dort ankommen.
    Die Gruppe löst sich auf, die Leute zerstreuen sich zwischen den Bäumen. Wir sind erst seit einer knappen Woche gemeinsam unterwegs, aber jeder von uns hat bereits eine bestimmte Rolle eingenommen. Tack und Pike sind die Jäger; Raven, Dani, Alex und ich wechseln uns mit dem Aufstellen der Fallen ab; Lu holt Wasser und kocht es ab; Julian packt, lädt ab und packt wieder. Andere flicken Kleider und reparieren Zelte. In der Wildnis hängt das Überleben von Ordnung ab.
    Darin sind sich Geheilte und Ungeheilte einig.
    Ich gehe hinter Raven her, die einen kleinen Hügel hinaufsteigt, auf eine Reihe ausgebombter Fundamente zu, wo früher mal ein Häuserblock gestanden haben muss. Anscheinend leben hier Waschbären.
    »Sie kommt mit?«, platze ich heraus.
    »Wer?« Raven ist überrascht mich neben sich zu sehen.
    »Das Mädchen.« Ich versuche, meine Stimme neutral zu halten. »Coral.«
    Raven hebt eine Augenbraue. »Sie hat kaum eine andere Wahl, oder? Entweder das oder sie bleibt hier und verhungert.«
    »Aber …« Ich kann nicht erklären, warum ich das hartnäckige Gefühl habe, man könne ihr nicht trauen. »Wir wissen doch gar nichts über sie.«
    Raven bleibt stehen. Sie dreht sich zu mir um. »Wir wissen über niemanden etwas«, sagt sie. »Hast du das immer noch nicht kapiert? Du weißt nicht das Geringste über mich, ich weiß nicht das Geringste über dich. Noch nicht mal du selbst weißt das Geringste über dich.«
    Ich muss an Alex denken – die seltsame, eisige Gestalt eines Jungen, von dem ich einmal dachte, dass ich ihn kennen würde. Vielleicht hat er sich gar nicht so sehr verändert. Vielleicht habe ich ihn nie richtig gekannt.
    Raven seufzt und reibt sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Hör zu, ich habe das ernst gemeint, was ich vorhin gesagt habe. Wir stecken alle zusammen da drin und müssen uns auch so verhalten.«
    »Schon verstanden«, sage ich. Ich schaue zum Lager zurück. Aus der Entfernung sieht die rote Decke über Corals Schultern ganz grell aus, wie ein Blutfleck auf einem polierten Holzboden.
    »Ich glaube nicht«, sagt Raven. Sie stellt sich direkt vor mich und zwingt mich, sie anzusehen. Ihr Blick ist hart, ihre Augen sind fast schwarz. »Das – was um uns herum geschieht – ist das Einzige, was zählt. Es ist kein Spiel. Es ist kein Spaß. Es ist Krieg. Es ist größer als du und ich. Es ist größer als wir alle zusammen. Wir zählen nicht mehr.« Ihre Stimme wird sanfter. »Weißt du noch, was ich dir immer gesagt habe? Die Vergangenheit gibt es nicht mehr.«
    Da weiß ich, dass sie von Alex spricht. Mir schnürt sich die Kehle zu, aber ich werde nicht vor Raven

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