Requiem für eine Sängerin
Sie nicht alle Papiere aufbewahren; ich würde gern Mr. Smiths Originalmietvertrag sehen.»
«Aber das können Sie doch, hier im System.»
«Was?»
«Ja, hier läuft ein Pilotprojekt für das neue Document Imaging – das macht unsere alte Ablage und diese grässlichen Mikrofiches überflüssig.»
«Und die Karten?»
«Noch nicht», kicherte sie, «aber das wird auch nicht mehr lange dauern. Die Formulare und Korrespondenzen dieses Jahres finde ich also im Computer. Soll ich nachschauen? Mal sehen, ich arbeite selten damit, aber es wäre doch schön, mal einen Treffer zu landen.»
Mrs. Court erkundigte sich quengelnd, warum das so lange dauere, aber beim Anblick des eingeschalteten Computers hielt sie sich in sicherer Distanz. Augenblicke später sah Fenwick den Mietvertrag von Mr. John A. Smith auf dem Bildschirm.
«Ist das seine Handschrift?»
«Nein, das ist meine. Viele Kunden bitten mich, das Formular für sie auszufüllen. Aber es ist seine Unterschrift.»
«Also haben Sie ihn ebenso kennen gelernt wie Mrs. Court.»
«Muss wohl, aber sie hat das Bild erkannt. Wie auch immer, Sie wollten seine Führerscheinnummer – da ist sie.»
Der anwesende Constable kümmerte sich darum.
«Maureen, ich möchte, dass Sie an den April zurückdenken – an den Tag, an dem Sie dieses Formular ausgefüllt haben. Es ist wichtig. Erzählen Sie mir alles über diesen Mann, woran Sie sich erinnern können.»
«Was hat er getan?»
Fenwick zögerte einen Moment, dann kam er zu dem Ergebnis, dass die Wahrheit am wirksamsten sein würde; sie war ein sensibles Mädchen. Nach seiner Erklärung betrachtete sie Rowlands Bild mit einer Mischung aus Grauen und Faszination und wollte die Erinnerungen heraufbeschwören, doch ihr Gesicht blieb ausdruckslos.
«Denken Sie nach, Maureen, ein großer, dunkelhaariger Mann, wahrscheinlich gut gekleidet. Vergessen Sie die Frisur, die stimmt vielleicht nicht.»
Sie nahm Fenwick das Phantombild aus der Hand und kritzelte mit einem Bleistift an den Rändern herum. Plötzlich ergänzte sie den Bürstenschnitt um einige Locken – immer noch kurz, aber etwas modischer. Dann skizzierte sie eine Sonnenbrille und einen offenen Hemdkragen. Es sah aus, als hätte sie Kunst studiert; ohne eine Spur von Verlegenheit oder Unsicherheit veränderte sie das Bild. Währenddessen unterhielt sie sich mit Fenwick und ergänzte die Einzelheiten.
«Das war ein schlechtes Bild, Sir. Ich habe ein gutes Gedächtnis, aber das Bild war einfach nicht gut genug. Jetzt habe ich ihn – ich erinnere mich genau an ihn.» Sie wurde lebhafter, und der Akzent kehrte zurück. «Sein Haar war modischer; kurz, aber gut geschnitten; teurer Friseur. Und er trug eine Sonnenbrille; nicht zu protzig, Ray-Ban, glaube ich. Es war April, aber ich erinnere mich, dass wir ein paar schöne Tage hatten; an dem Wochenende hat mein Bruder geheiratet, und es war ein herrliches Wetter. Sie hatten Recht, er war ein Bild von einem Mann – ehrlich. Groß, durchtrainiert, leicht gebräunt. Er hatte unglaubliche Oberarmmuskeln.» Sie redete und kritzelte dabei auf ein weißes Blatt Papier: ein kurzärmeliges Hemd, kräftige, lange Arme, den Ansatz einer Narbe oder eines Mals auf dem Unterarm. «Und ich glaube, er hatte eine Tätowierung – ich weiß es nicht mehr genau, kein Herz oder ‹Mom› oder ein Mädchenname; es war maskulin, aber ich konnte es nicht richtig sehen.»
Wenig später hatte Fenwick mit Maureen vereinbart, dass das Auto, das Mr. J. A. Smith gemietet hatte, zurückgeholt und ins forensische Labor gebracht werden sollte; er hegte die schwache Hoffnung, es könnte sich nach fünf Monaten konstanter Benutzung noch etwas Belastendes darin finden. Innerhalb von zwei Stunden bestätigte die Behörde, dass der Führerschein gefälscht war; das Postamt, dass es sich um eine fiktive Postleitzahl handelte; und die Besitzer des Hauses, dessen Anschrift auf dem Führerschein genannt war, waren bereit, jeden Eid zu schwören, dass nie ein John A. Smith dort gewohnt hatte.
Fotografien des Autos und von Maureens Skizze wurden dem Informationsblatt hinzugefügt, das bei den anderen Polizeidienststellen und der Presse im Umlauf war. Fenwick wusste, dass er keinen Grund zur Niedergeschlagenheit hatte. Der unsichtbare Mann nahm allmählich Gestalt an. Er hatte zwei Leute gefunden, die den Mann kennen gelernt und mit ihm gesprochen hatten. Die Jagd war eröffnet; nun war es noch eine Frage der Zeit, bis sie ihn schließlich hatten.
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