Requiem für eine Sängerin
Erwachsene in ihm wusste, dass es die Wahrheit sein konnte, wie unappetitlich und überraschend es auch immer war.
Natürlich hatte sie bestritten, dass der Tod etwas anderes als ein Unfall gewesen sein könne, auch dann noch, als die Schmerzen den Höhepunkt erreichten. Selbst unter dem Druck des Skalpells und dem Flüstern des Tranchiermessers hatte sie auf diesem Teil der Geschichte bestanden, aber das spielte keine Rolle. Er hatte die Wahrheit aus ihrem konfusen Gestammel herausdestilliert und wusste jetzt mehr als genug, um zur nächsten Phase überzugehen.
Blieb nur ein unmittelbares Problem: Was sollte er mit ihr anfangen? Sie hatte ihn angefleht, ihr Leben zu schonen; hatte versprochen, alles für ihn zu tun, wenn er ihr diesen Wunsch erfüllte. Einige ihrer exotischeren Vorschläge hatten seine Neugier entfacht, aber nicht sein Verlangen. Erstaunlich fand er nur, dass eine Mittelschichtshausfrau aus einem kleinen Dorf über eine derartige Palette von Ideen verfügte. Einmal war er beinahe in Versuchung geraten, neugierig, was sie tun würde, wenn er sie ließ. Aber die Risiken waren zu groß, und ihr stinkender, verquollener und blutiger Körper erregte ihn nicht.
Sollte er sie töten? Er wusste, er hatte nicht viele Optionen, und das Wie war kein Thema – die Entscheidung fiel ihm schwer. Das Problem war, sehr zu seiner Überraschung, dass er es nicht wollte. Sie war nicht direkt an dem Mord beteiligt gewesen. Und sie hatte Energie. Unter der Maske ihrer Eitelkeit hatte er eine liebevolle Mutter und zärtliche Ehefrau gesehen. Selbst nach den schlimmsten Demütigungen hatte sie ihn angefleht, ihren Mann anzurufen und zu fragen, ob es den Kindern gut gehe. Ein Teil von ihm bestand darauf, dass sie nicht böse war. Sie hatte den Mord nicht begangen, wenn auch zugegeben, dass sie nichts unternommen hatte, um ihn zu verhindern. Hätte sie das überhaupt gekonnt? Das war eine müßige Frage.
Vielleicht konnte er sie irgendwann gehen lassen. Sie konnte ihn nicht identifizieren, und er hatte vor, das Land zu verlassen, sobald die letzte Tat vollbracht war. Er erinnerte sich an die Füchsin, und seine Entschlossenheit, die Frau zu töten, geriet noch mehr ins Wanken.
Er wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als es an der Haustür klopfte. Sein erster Gedanke war – Polizei! Wo war seine Waffe? Hatte er die Frau wieder geknebelt? Er schob die Waffe hinten in den Hosenbund, zog sich die Mütze vom Kopf und betrachtete sein Gesicht im Küchenspiegel; seine Verkleidung war noch weitgehend intakt. Schließlich streifte er die Handschuhe ab, untersuchte die Hände auf Blutspuren – nichts – und ging gelassen zur Haustür.
Der Regen war in ein leichtes Nieseln übergegangen, aber der Hof war ein einziger Sumpf aus Pfützen. Dort stand eine kleinwüchsige, ausgesprochen hässliche Frau Ende fünfzig, die einen schlammbespritzten Hund an einem Stück Seil hielt.
«Ah, schön, dass Sie da sind.» Sie hatte einen nüchternen britischen Ton, ohne eine Spur des walisischen Singsangs. «Ich bin Miss Purbright von der Lee Farm. Ich habe der Hausverwaltung versprochen, ein Auge auf die Hütte zu werfen, Sie wissen schon.»
Er wusste es eindeutig nicht, und sein Schweigen brachte sie aus der Fassung.
«Ja, nun, nach dem Gewitter letzte Nacht und so weiter dachte ich mir, ich seh besser mal nach, ob alles in Ordnung ist bei Ihnen, ob Sie Strom haben, Telefon und so.» Sie machte eine Pause und tätschelte dem fetten, stinkenden Retriever die Flanke. «Wir wollten nachsehen, ob es dem neuen Mieter an nichts fehlt, ehe wir uns anderen Dingen zuwenden, oder nicht?»
«Verstehe. Mir geht es bestens, danke der Nachfrage.» Er machte langsam die Tür zu, während sie versuchte, über seine Schulter hinweg in die Diele zu spähen.
«Sie sind allein, was? Ziemlich abgelegen für ein Ferienhaus, nicht?»
«Ich bin Schriftsteller. Ich liebe Ruhe und Abgeschiedenheit.» Mit deutlicher Betonung auf den letzten Worten.
«Na, ich schätze, das erklärt alles.»
«Da bin ich ganz sicher. Wenn Sie mich entschuldigen würden, ich habe zu tun.» Der Hund zeigte mittlerweile deutliche Anzeichen von Munterkeit, schnupperte eifrig und versuchte immer wieder, ins Innere des Hauses vorzudringen. Angesichts der interessanten Gerüche, die das Tier aus dem Hinterzimmer wahrnehmen musste, war es höchste Zeit, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
«Na gut, dann mache ich mich wieder auf den Weg. Wenn Sie mal Lust haben, auf eine
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