Requiem für eine Sängerin
Anschrift, Telefonnummer, Größe und Gewicht angeben, Angaben zu Alter und Geschlecht der Kinder machen und einige Fotos von der Familie und von sich beilegen (die zurückgeschickt würden, sofern ein frankierter Umschlag beigelegt sei).
Von den sechs Freundinnen wurden innerhalb einer Woche vier zu Vorstellungsterminen nach London gebeten. Aufgeregt begaben sie sich zum Hotel Carlton in der Nähe des Trafalgar Square (vier Sterne, wie Deborah Derek stolz wissen ließ). Letztendlich war Leslies Mann doch nicht mitgekommen; vier Frauen zusammen konnten sich hinreichend sicher fühlen.
Die Gespräche führte eine atemberaubend attraktive und elegant gekleidete Dame Anfang dreißig in einem Konferenzraum. Sie gab die nervösen Antworten der Frauen in einen Laptop ein, auf dem, wie sie erläuterte, bereits die Informationen aus ihren Bewerbungen gespeichert waren. Die Fragen zielten auf den Werdegang der Frauen; frühere Erfahrungen beim Modeln oder Schauspielern (Deborah erinnerte sich an einen Auftritt am College, als sie neunzehn war, und etwas Schauspielunterricht); die Kinder – ob es ihnen Spaß machen würde, Kleidungsstücke vorzuführen; und zuletzt, beinahe entschuldigend, die Ehemänner – was die von einem möglichen Engagement halten würden.
Nach zwei Stunden waren alle vier ausführlich befragt und darüber informiert worden, dass sie binnen einer Woche Nachricht erhalten würden. Sie bekamen eine Broschüre mit Einzelheiten über die Agentur und den Katalog. Als die Freundinnen aus dem Fahrstuhl traten und durch die marmorverkleidete Halle gingen, sahen sie zu ihrer Bestürzung zwei äußerst attraktive Frauen an der Rezeption nach dem Konferenzraum der Agentur fragen. Insgeheim war Deborah der Ansicht, dass sie sich bei solcher Konkurrenz glücklich schätzen konnten, wenn sie auch nur die nächste Hürde schafften.
Innerhalb von drei Tagen erhielten Leslie und Deborah telefonisch die Mitteilung, dass sie Erfolg gehabt hatten. Sie wurden für die darauf folgende Woche zu ersten Probeaufnahmen bestellt. Die Termine lagen so, dass sie zusammen fahren konnten. Darüber hinaus wurden sie gebeten, in einem Fotoatelier der Gegend, wo bereits entsprechende Arrangements getroffen worden waren, auf Kosten der Agentur Aufnahmen von ihren Kindern machen zu lassen. So müssten, erklärte die ausgesprochen freundliche Dame am Telefon, die Kinder nicht reisen, solange die endgültigen Vereinbarungen noch nicht getroffen seien. Deborah und Leslie fanden das besonders professionell und einfühlsam.
Die Probeaufnahmen verliefen ausgezeichnet; anschließend wurde ihnen gesagt, dass sie zur Unterzeichnung der Verträge nach London eingeladen würden. Zusammen mit zwei anderen seien sie unter mehr als hundert Bewerberinnen ausgewählt worden. Beim nächsten Mal würden sie nicht selbst zum Studio fahren müssen, sondern würden von einem Wagen mit Chauffeur vom Bahnhof abgeholt.
Und so kam es, dass Deborah Fearnside an einem sonnigen Aprilmorgen in beschwingter Stimmung zum letzten Mal ihre Haustür zumachte und gewissenhaft abschloss. Als sie mit ihrer kleinen Tasche, in der sich die nötigsten Reiseutensilien, ein merkwürdiger Glücksbringer und – für den Fall, dass sie nach den Aufnahmen noch Zeit für einen Besuch im West End finden sollte – ihr Scheckbuch befanden, das Haus verließ, plagte sie kein schlechtes Gewissen.
Deborah wollte Leslie mit zum Bahnhof nehmen und traf pünktlich bei ihrer Freundin ein. Auf den Anblick, der sich ihr dort bot, war sie nicht vorbereitet.
«Deborah. O Gott, es tut mir Leid.» Eine völlig aufgelöste Leslie, die Lockenwickler noch im Haar, machte die Tür auf. «Ich werde es nicht schaffen. Der Morgen war eine einzige Katastrophe. Erstens ist die Katze weg – der Himmel weiß, wo das verdammte Vieh steckt! Sie ist noch nie ausgerissen, und die Kinder laufen seit sieben Uhr weinend durchs Haus. Dann hat Julie angerufen und gesagt, dass ihr Auto nicht anspringt. Also kann sie die Kinder nicht zur Schule bringen. Und um allem die Krone aufzusetzen, hat eben noch der Rektor von Jamies Schule angerufen und gesagt, dass er mich in einer ‹ernsten Angelegenheit› sprechen muss; etwas, das er nicht am Telefon besprechen kann.»
Leslie schien den Tränen nahe. Irgendwo im Haus hörte Deborah weinende Kinder und einen Hund, der unablässig bellte.
«Du Ärmste! Was machst du denn jetzt?» Deborah war voll des Mitleids, aber nichtsdestotrotz musste sie zum Bahnhof, das
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