Requiem fuer einen Henker
dafür. Ich bin dann weggelaufen.«
»Und Sie sind ganz sicher, dass Willi nicht getrunken hat?«, fragte ich.
»Ganz sicher. Er war ruhig und voller Selbstvertrauen, und seine Geschichte war fertig. Verdammt noch mal! Und abgesehen davon hat hier um diese Zeit überhaupt keine Kneipe mehr auf. Dann drei Promille? Das sind vielleicht dreißig Schnäpse oder dreißig Glas Bier. Aber wenn sie ihn umbringen wollten, dann war das der einfachste Weg. Sie brauchten ihm den Alkohol ja nur in den Körper zu spritzen.«
»So einfach ist das nicht«, sagte ich schnell. »Wenn das so passiert sein sollte, dann müssen sie es getan haben, als er noch lebte, denn sonst wird der Alkohol nicht mehr durch den Körper transportiert.«
»Dieses Gerede ist ja furchtbar«, protestierte die Baronin schrill.
Aber Claudia ließ sich nicht beirren. Mit gerötetem Gesicht ereiferte sie sich: »Überlegen Sie doch mal: Der Mann war seit langem trocken, pulvertrocken, und er war aktiv bei den Anonymen Alkoholikern. Nach Mitternacht kamen wir aus dem Kino. Dann rief Guttmann an, und das Gespräch dauerte sehr lange. Dann kam dieser andere Anruf, der mit dem Kickeck, und dann erst ging mein Willi aus dem Haus. Das muss also gegen zwei Uhr gewesen sein. Und um drei, also eine Stunde später, ist schon alles vorbei. Da hat derselbe Mann drei Promille im Blut und ist tot. Er müsste ja schon hier vor dem Haus sofort die Pulle an den Hals gesetzt haben! Anders hätte er alleine nie auf diesen Pegel kommen können. Und dann rennt Willi plötzlich als Fußgänger auf einer Schnellstraße rum. O nein, die ganze Sache stinkt!«
»Haben Sie nach der Beerdigung jemals versucht, mit Guttmann darüber zu sprechen?«, fragte ich.
»Ich habe versucht, Guttmann zu erreichen, aber ich hatte das Gefühl, er ließ sich verleugnen. Ich habe aber mit einem Kollegen bei dpa über die Sache gesprochen. Der glaubte mir, sagte aber auch, ich hätte keine Chance, dass irgendein Staatsanwalt das untersucht. Meinen Sie das auch?«
»Das meine ich auch«, sagte ich. »Und ganz bestimmt jetzt, wo Guttmann auch tot ist.«
»War das etwa auch kein Unfall?«, fragte sie hastig.
»Doch, doch«, sagte die Baronin schnell. »Bei Schneeglätte oben in der Eifel. Können wir Willis Zimmer mal sehen?«
»Sicher«, sagte sie. Wie eine Schlafwandlerin ging sie vor uns her eine steile Stiege hinauf.
Das Zimmer unter der Dachschräge war klein, hell und freundlich. Vor seinem Arbeitsplatz hatte er einen Zettel an die Wand geheftet: Es ist durchaus nicht normal, wenn jemand sagt, dass er dich mag!
Ein kleines Wandregal, vollgepackt mit Büchern, auf der Erde Bücherstapel, alles in allem sicher gut dreihundert Titel. Es war alles vorhanden, von Exners Kriminalbiologie über Barrons KGB bis hin zu Powers’ CIA - es fehlte wirklich nichts. Statt eines Schreibtischs hatte Willi Metzger an einem riesigen Tapeziertisch gearbeitet. Aber der war so gut wie leer.
»Und er hat wirklich kein Manuskript geschrieben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Kein Manuskript. Er sagte, er hätte jede Zeile im Kopf.«
Die Baronin sagte: »Das Beste wird sein, wenn Sie hier abschließen und nichts verändern. Und lassen Sie niemanden rein!«
»Wollen Sie denn weiter recherchieren?«
»Wir stochern erst mal so herum. Mal sehen, ob wir etwas finden. Wir kommen auf jeden Fall wieder«, sagte die Baronin dumpf. Sie hatte ein ganz starres Gesicht.
Im Wagen fragte sie: »Und was machen wir jetzt?«
»Erst muss ich dich nach Hause bringen. Ich suche mir ein Bett in Bonn und versuche, an die Frau von Guttmann heranzukommen.«
»Die will ich auch kennen lernen. Ich komme mit nach Bonn.«
»Du bist eingestiegen, nicht wahr?«
»Natürlich«, murmelte sie. »Du kannst ruhig ein Doppelzimmer nehmen; ich fühle mich nicht bedroht.«
Wir entschieden uns für eine bescheidene Pension im Bonner Rosental, im ersten Stock eines ehemals glanzvollen Bürgerhauses - der typische Schlafplatz für müde Handelsvertreter. Ich sagte flott: »Ehepaar Meier« und gab als Adresse Hamburg, Hafenstraße an. Dann zahlte ich sechs Tage im Voraus, um keinerlei Fragen aufkommen zu lassen. Die dicke, gutmütige Wirtin strahlte und bot uns einen »kostenlosen Fernseher« an, »damit die Abende etwas gemütlicher sind.« Mir war das Telefon auf unserem Zimmer wichtiger. Ich rief sofort bei Guttmanns an. Eine gedämpfte Männerstimme meldete sich: »Ja, bitte?«
»Baumeister aus der Eifel. Kann ich Frau Guttmann
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