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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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plötzlich ganz still.«
    Sie beschrieb mit beiden Händen verzweifelt Kreise. »Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Es war, als hätte er irgendetwas erlebt oder gesehen, was ihn zutiefst erschreckt hat. Er …«
    »Haben Sie ihn denn nicht danach gefragt?« Die Baronin lächelte sie an. »Sie haben doch mit ihm gelebt.«
    »Natürlich habe ich ihn gefragt, aber er konnte so schwer aus sich heraus. Das war wohl auch einer der Gründe für sein Trinken früher. Er konnte nie richtig über sich selbst sprechen. Er sagte: >Hab noch etwas Geduld, dann erzähle ich es dir.< Auf jeden Fall bot er plötzlich meinem Chef keine Spionagegeschichten mehr an. Er machte weiter gute Reportagen, nur die Spione waren out. Er wurde sogar ein bisschen gehänselt, weil er keine Agentenserien mehr anbot. Aber er lächelte nur und sagte: >Ihr werdet es erleben!< Keiner wusste, was er damit meinte. Eine Kollegin witzelte, er sei wohl selbst unter die Spione gegangen, um besser darüber schreiben zu können. Zu Hause grub er sich in seinem Arbeitszimmer ein und las und notierte, aber wenig. Er rannte in alle Büchereien in Bonn und Köln, kopierte, machte Verzeichnisse. Es waren nur Materialien über Spionage, Geheimdienste und Geheimdiplomatie. Wissen Sie, ich bin eher romantisch, und diese Wühlerei wurde echt zu einem Problem für mich. Ich hatte ja schon Schwierigkeiten, ihn wenigstens mal am Wochenende ins Bett zu kriegen.« Sie lächelte und sah dabei ungeheuer verwundbar aus. Dann murmelte sie fast unhörbar: »Es tut immer noch ganz schön weh.«
    »Also schrieb er Manuskripte?«, fragte ich in die Stille hinein.
    »Nein. Das war ja das Komische. Ich bat ihn immer wieder, er solle mich doch mal etwas lesen lassen. Dann antwortete er regelmäßig: >Da gibt es nichts zu lesen. Das schreibe ich erst auf, wenn ich alle Beweise habe. Dann druckt mich der Spiegel in Fortsetzungen.<« Sie schluckte. »Ich habe ihm geglaubt.« Sie schloss wieder ihre Augen, zupfte an ihren Jeans und an ihrer Bluse herum, sah schließlich die Baronin an und fragte zaghaft: »Macht es Ihnen was aus, wenn ich schnell was anderes anziehe? Alle Sachen sind mir zu eng geworden. Seit er tot ist, seit ich allein hier in der Bude hocke, esse ich nur noch. Ich fresse, ich fresse, ich fresse.« Sie rannte hinaus und erschien ziemlich bald wieder in einem sehr weiten Kleid, das mit seinen fröhlichen Farbtupfern aussah wie aus einer anderen Zeit.
    »Für die Schwangerschaft«, kommentierte sie und sah ganz verloren aus.
    Sie setzte sich, schlug die Arme um den Leib und fuhr fort: »Mitte Oktober 1989 gab es dann zwischen uns eine kurze Unstimmigkeit. Wir hatten jeder ein Konto bei derselben Bank. Eines Tages gab mir die Angestellte, die mich kannte, Auszüge für Willi mit, die ein völlig neues Konto betrafen. Es war ein Darlehenskonto. Wie sich herausstellte, hatte er »bei der Bank zehntausend Mark aufgenommen. Er hatte sich das Geld in bar auszahlen lassen und für irgendetwas ausgegeben, das mit der geheimnisvollen Geschichte zusammenhing, die er recherchierte. Ich schrie ihn richtig an, ich war wütend und fühlte mich übergangen. Er blieb ganz ruhig und sagte, das Geld würde er hundertfach wieder reinkriegen. Er habe es gebraucht, um Informationen zu kaufen. Später habe ich mich dann entschuldigt, und wir haben uns wieder vertragen. Damals sagte er mir, er wollte mich zu meinem eigenen Schutz nicht in die Sache mit reinziehen.« Sie sah die Baronin an, und ich dachte, jeden Moment würde sie ihre künstliche Fassung verlieren. »Damals haben wir an ein Kind gedacht, ich habe auch die Pille abgesetzt. Wir hatten aber kein Glück - sonst wäre ich jetzt schwanger.«
    »Wie kam denn nun Guttmann ins Spiel?«, fragte ich hastig.
    »Das war auch im Oktober 1989«, sagte sie. »Ich weiß bis heute nicht, was Guttmann bei der Kripo eigentlich macht, aber er muss ein ziemlich hohes Tier sein, oh, gewesen sein. Ich kann mich an den Abend gut erinnern, das habe ich im Tagebuch festgehalten. Es war der 29. Oktober, ein Donnerstag. Willi brachte Guttmann mit. Ich machte ihnen Kaffee und Schnittchen, und sie gingen rauf in Willis Zimmer. Zwei Stunden hörte ich nichts, dann wurden sie ganz laut und aufgeregt. Einmal kam Guttmann heraus, um zur Toilette zu gehen. Dabei sagte er wörtlich: >Wenn wir das haben, wackelt die Regierung, dann wackelt ganz Bonn!< Willi sagte mir hinterher, er wäre fast soweit, bald würde er anfangen zu schreiben, und ich wäre die

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