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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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ziemlich wütenden.«
    »Warum hat denn niemand von dpa in dieser Sache recherchiert?«
    »Du weißt doch, wie das ist. Die sind allesamt zu mit ihrem Tageskram, die haben absolut keine Zeit.«
    »Hatte er denn keine Freunde?«
    »Er war ein Eigenbrötler, sagt sein Chef.«
    Wir fanden das Haus ohne Schwierigkeiten. Es hatte eine hässliche Eternit-Fassade, war aber ordentlich und gepflegt. Claudia Groß öffnete gleich nach dem ersten Schellen. Sie war eine kleine, blonde, etwas rundliche Frau mit einem vollen, normalerweise vermutlich ungemein gutmütig wirkenden Gesicht. Jetzt aber blickte sie uns misstrauisch an, so, als wären wir die ersten Menschen, die ihr nach langer Zeit begegneten. Sie mochte etwa fünfunddreißig Jahre alt sein.
    »Es ist nett, dass Sie Zeit für uns haben«, sagte die Baronin herzlich.
    Augenblicklich verlor sie etwas von ihrer Ängstlichkeit und bat uns herein. Sie trug flache Latschen aus billigem, dunkelbraunem Cord, zu enge Jeans und eine pinkfarbene Bluse, die auch zu eng saß. Sie hatte viel Mühe darauf verwendet, sich zu schminken, und alles war ihr zu grell und zu aufgetragen fröhlich geraten.
    Noch ehe wir in das Wohnzimmer traten, fragte sie eifrig: »Kaffee, Tee, Bier?«
    Sie stellte Tassen vor uns hin, sie wieselte herum, sie stellte die Dose mit dem Kandiszucker ganz schnell hintereinander auf vier verschiedene Positionen. Dann fragte sie plötzlich: »Wie sind Sie auf Willi Metzger gestoßen?«
    »Durch Zufall«, erklärte ich. »Da ist in der Eifel ein Kripobeamter tödlich verunglückt. Er kam von mir und war auf dem Weg nach Bonn. Bei unserem Gespräch fragte er mich ohne jeden ersichtlichen Grund, ob ich Ihren Lebensgefährten kannte. Ich kann nur annehmen, dass er diese Frage absichtlich gestellt hat.«
    »Dann war es also Guttmann«, sagte sie schnell, und ihre Augen waren groß und dunkel vor Schreck und Angst. Als könnte sie das alles nicht aushalten, stotterte sie: »Ich brühe nur schnell den Tee auf, bin sofort wieder da.«
    »Wenn sie Guttmann kennt, weiß sie etwas«, flüsterte die Baronin.
    Claudia kam wieder, goss ein, setzte sich und lächelte mechanisch. Die Schlagader an ihrer linken Halsseite pochte sichtbar. »Mir wird immer noch schummrig, wenn ich davon rede. Es war wirklich Guttmann, nicht wahr?«
    »Es war wirklich Guttmann.«
    »Komisch«, murmelte sie. Sie machte eine lange Pause, und ihr voller Mund wurde plötzlich schmal. Die Augen hielt sie geschlossen, als rede sie mit sich selbst. »Das Beste ist wohl, ich erzähle von Willi. Sie müssen wissen, dass er Alkoholiker war. Vor fünf Jahren völlig auf den Hund gekommen. Er hatte die Familie verloren und den Job und so weiter und so weiter, man kennt das ja. Irgendwie hat er es dann aber gepackt. Mit Hilfe der Anonymen Alkoholiker in Köln. Er war seit fast vier Jahren vollkommen trocken, und ich habe immer gesagt: Den könnte man mit einem Fass Whisky auf einer einsamen Insel absetzen, der würde lieber verhungern! Vor drei Jahren lernten wir uns kennen, und es hat sofort gefunkt. Tatsächlich wollte ich ihm jetzt zu Weihnachten einen Heiratsantrag machen, weil ich ein Kind mit ihm wollte. Er übrigens auch. Na ja, erst behielt er seine Kölner Wohnung bei, er wollte nicht sofort zu mir ziehen, obwohl das viel billiger gewesen wäre. Er sagte: Weiß der Teufel, wie ich mit dem Schnaps zurechtkomme. Er war eben ehrlich. Vor zwei Jahren zog er dann hier ein. Ich habe das Haus von meinen Eltern geerbt. Jeden Dienstag ging er nach Köln in eine Gruppe der Anonymen Alkoholiker. Ich habe mich mit voller Überzeugung für ihn eingesetzt, und unser Chefredakteur gab ihm eine Chance. Willi war ziemlich schnell einer der Besten und Zuverlässigsten. Er hatte nur eine Marotte: Agenten und Spione. Wenn Sie sein Zimmer sehen - jede Menge Fachliteratur, von CIA bis KGB, schrecklich, sage ich Ihnen. Woche für Woche versuchte er, der Redaktion eine Geschichte über Spione in Bonn anzudrehen. Die Kollegen lachten ihn schon aus deswegen, aber er nahm es nicht krumm. Er nahm es auch nicht übel, wenn ich ihn damit hänselte. Und eins musste man ihm lassen: Er verstand wirklich etwas davon. Wenn es tatsächlich einen konkreten Spionagefall gab, dann waren seine Beiträge immer die besten. Na ja, dann, so gegen Mitte des vergangenen Jahres, hat sich irgendwas geändert. Er war immer noch bei den Anonymen Alkoholikern, leistete immer noch Hilfe für andere Süchtige, aber keine Agenten und Spione mehr. Da war er

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