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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Ordnung. Die kann das verstehen.«
    »Lieben Sie sie?«
    »Ich mag sie.«
    »Ich habe Erich geliebt, mein Leben lang habe ich ihn geliebt. Und jetzt ist er tot. Aber ich liebe ihn immer noch.«
    Ich konnte ihr nur ganz profane Hilfe geben. »Wenn Sie mir sagen, wo etwas zu essen ist, hole ich es. Sie müssen essen.«
    Sie goss sich erneut einen Schnaps ein, roch daran und verzog den Mund. Dann fasste sie die Flasche am Hals, stand schwankend auf und warf sie angewidert durch das geschlossene Fenster. Erst war sie erschrocken, dann kicherte sie, dann biss sie sich auf den Zeigefinger. »Erich hätte jetzt seinen Spaß an mir«, sagte sie undeutlich.
    »Was wollen Sie essen?«
    »Nur ein Stück Brot. Immer, wenn mir zum Kotzen ist, esse ich trockenes Brot. In der Küche.«
    Ich ging hinaus auf den Innenhof und blieb stehen, um meine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Es hatte wieder zu nieseln begonnen, und es war ungemütlich kalt. Ich spürte die Nässe durch das Hemd und wollte gerade die zwei Holzstufen hinuntersteigen, als ich ihn sah.
    Er kauerte ungefähr zehn Meter entfernt auf dem Dach eines niedrigen Gebäudes, das den Hof seitlich begrenzte. Er hockte da, nahm eine Kamera hoch, deren Linse matt aufblinkte, und fotografierte mich. Er machte das sehr professionell und gelassen. Er benutzte kein Blitzlicht.
    »Was für einen Film haben Sie drin?«
    Er reagierte völlig gelassen. »Kodak High-Speed mit Spezialemulsion. Und natürlich Spezialoptik«, sagte er. Er wollte keinen Krach, er machte nur seinen Job.
    »Haben Sie mich auch gut drauf?«
    »Ja«, sagte er. Dann stand er auf, blieb stehen, deckte die Kamera gegen den Nieselregen ab und wandte sich um. Er wollte offensichtlich vom Dach springen.
    Ich rief ihm hinterher: »Kennen Sie eigentlich meinen Namen?«
    »Natürlich, Herr Baumeister.«
    »Wenn Sie Ihre Vorgesetzten treffen, sagen Sie ihnen, ich sei hier, weil ich der Letzte war, der mit Erich Guttmann zusammen war.«
    »Das werde ich ausrichten.«
    »Und lassen Sie die Witwe in Ruhe.«
    »Auch das kann ich bestellen.«
    »Und sagen Sie Beck, er sei ein Leichenfledderer.«
    Er lachte gutmütig: »Das richte ich besser nicht aus. Nichts für ungut!« Dann sprang er in den Nebenhof und war verschwunden.
    Ich ging in den langen Flur und suchte die Küche. Gleich die erste Tür führte hinein: ein großer, sehr gemütlicher Raum mit Möbeln aus naturbelassener Kiefer. Es war ein wenig unordentlich, als sei dieser Raum ständig bewohnt, immer bevölkert und von Gelächter erfüllt. Ich nahm das Brot aus einem Kasten, steckte ein Messer ein und machte mich auf den Rückweg. Sie saß genauso da, wie ich sie zurückgelassen hatte.
    Ich schnitt ihr ein ordentliches Stück ab. »Sie werden übrigens überwacht.«
    »Ja, ich weiß, macht nichts. Das geht schon eine Weile so.«
    »Wie lange genau?«
    »Ein paar Monate, ich kann es morgen genau feststellen. Ich habe es notiert. Es begann so im Spätherbst, als sie entdeckten, dass Erich sich privat um Lewandowski kümmert. Sie luden ihn vor, und er stritt es ab. Ich meine den Verfassungsschutz. Die sind alle schizoid, irgendwie krank.«
    »Hoffentlich existieren hier keine Tonbänder oder schriftliche Unterlagen?«
    »Wir haben nichts aufgenommen und außer indirekten Tagebuchnotizen nichts aufgeschrieben. Willi Metzger übrigens auch nicht.«
    »Das weiß ich leider schon. Essen Sie, Sie müssen wirklich etwas essen.«
    Sie griff neben sich auf den Boden und förderte eine Flasche Aquavit zutage. »Sie denken sicher, hier wird dauernd getrunken. Aber Erich liebte einen Schnaps am Abend. Einen!« Sie kicherte.
    »Ihnen wird gleich schlecht. Essen Sie von dem Brot.«
    »Ja, ja.« Sie begann lustlos an dem Brot herumzukauen. »Schlafen die Kinder?«
    »Ich weiß es nicht, ich war nur in der Küche.«
    »Mein Jüngster, achtzehn ist er, hat mich gefragt, ob er in unserem Ehebett schlafen darf.«
    »Wenn ich Sie richtig verstehe, dann haben Sie und Ihr Mann sich wieder angenähert. Dann haben Sie Ihre Liebhaber aufgegeben?«
    Sie nickte und begann übergangslos zu weinen. »Erich sagte, er liebte mich, er könne mich nicht aufgeben. Da habe ich, na ja, ich habe die Jungens einfach abgeschossen.« Sie lachte fast glücklich, dann kamen die Schluchzer wieder.
    »Erich ist zu diesen drei Jungens gegangen. Er hat ihnen schöne Grüße von mir bestellt und gesagt, nun wäre es vorbei, es müsste Schluss sein. Nur einer von den dreien wurde noch pampig, und da hat Erich

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