Requiem für einen Rockstar (German Edition)
daneben.
«Darf ich Ihnen Kaffee bringen? Oder lieber Tee?»
«Gern einen Kaffee, aber nur, wenn Sie auch einen trinken.»
Anna Lauscher schmunzelte.
«Ich trinke viel Kaffee im Laufe eines Tages.»
«Kann ich Ihnen helfen?»
«Nein, lassen Sie nur.»
Nadine hörte in der Küche eine Espressomaschine rattern. Wenigstens ein modernes Gerät. Und staunte nicht schlecht, als Hubert Lauscher den Raum betrat. Hatte sie doch einen älteren, kleinen, rundlichen Mann erwartet. Stattdessen stand ein weit über hundert Kilo wiegender, zwei Meter grosser Koloss vor ihr. Nadine erhob sich automatisch.
«Bleiben Sie doch sitzen, Frau Kupfer.»
Lauscher hatte eine sonore Stimme, der sie stundenlang würde zuhören können. Dieses Paar passte doch überhaupt nicht zusammen. Oder vielleicht eben gerade deswegen. Gegensätze ziehen sich an, wie es so schön hiess.
«Hm … sehr gut.»
«Ich lege grossen Wert auf guten Kaffee. Es ist Mövenpick-Kaffee.»
Nadine erhob sich etwas umständlich und gab beiden die Hand.
«Ich möchte Ihnen von ganzem Herzen mein Beileid aussprechen.»
Sie drückten ihr fest und lange die Hand. Hubert Lauscher zitterte stark.
«Vielen Dank … es ist eine Tragödie. Johannes war unser einziges Kind», murmelte er. «Der Herr in der Gerichtsmedizin hat uns davon abgeraten, ihn nochmals zu sehen. Sieht er so schlimm aus?»
Die letzten Worte waren kaum verständlich. Nadine atmete tief durch.
«Ich will Ihnen nichts vormachen, Herr Lauscher. Sehr schlimm.»
«Musste … musste er leiden?»
«Der Schlag …», Nadine atmete tief durch, «der Schlag … er wurde voll getroffen. Wahrscheinlich war er sofort tot.»
«Mein Gott! Wer macht so etwas …?», Anna Lauscher verstummte und weinte leise vor sich hin.
«Wir wissen es nicht. Es gibt viele Möglichkeiten. Ein Zufall. Ein Bekannter. Wir stehen erst am Anfang unserer Ermittlungen.»
Lauscher hielt sich an der Tischkante fest.
«Sie müssen das Schwein finden, Frau Kupfer. Wir wollen, dass er seine gerechte Strafe bekommt.»
«Wir tun alles, was in unserer Macht steht. Aber es wird nicht einfach werden, denn es gibt keine Zeugen. Der einzige, von dem wir wissen, dass er sich zur selben Zeit im St. Jakob-Park befand, ist der Abwart. Leider hat er nichts gesehen und auch nichts Ungewöhnliches bemerkt.»
Anna Lauscher erhob sich und kam mit einer Schachtel voller Fotos zurück.
«Wenn Sie etwas Zeit haben, würde ich Ihnen gern einige Bilder von Johannes zeigen.»
In der nächsten Stunde entwickelte sich ein reges Gespräch, noch einmal liessen Anna und Hubert Lauscher Johannes’ Leben Revue passieren. Schritt für Schritt. Bild um Bild. Nadine lernte eine glückliche, kleine Familie kennen. Mittelstand. Nach altem Prinzip. Die Frau zu Hause für den Haushalt besorgt, der Mann Bauführer bei einem grossen Basler Unternehmen, Johannes, das umsorgte Einzelkind. Äusserst intelligent, hilfsbereit, mit guten Schulzeugnissen. Eher ein Einzelgänger mit wenigen Freunden. Auf jedem zweiten Foto war die Gitarre mit dabei. In der Schule, im Urlaub, zu Hause auf dem Bett.
«Gitarre spielen war seine grosse Leidenschaft. Sehen Sie, Nadine, ich darf Sie doch Nadine nennen? Sehen Sie hier, das war Johannes’ erster Auftritt mit Peter im ‹Atlantis›. Mein Gott, waren wir damals stolz auf ihn!»
Sie wurde von einem Weinkrampf geschüttelt. Nadine nahm die zierliche Frau in die Arme.
«Wenn uns damals jemand gesagt hätte, dass er eine grosse Karriere macht, hätten wir ihn ausgelacht. Wissen Sie, wir sind bescheidene Leute. Die Vorstellung, dass jemand in unserer Familie berühmt sein könnte, war uns fremd. Und plötzlich wurden wir beim Einkaufen angesprochen. Sind Sie nicht die Mutter vom berühmten John Lauscher? Wir waren so stolz auf unseren kleinen Johannes!», fuhr sie leise fort.
«Ich bin ein ganz grosser Fan der Devils, Frau Lauscher.»
«Anna, ich heisse Anna. Ist nicht wahr?»
Ihr Mann reichte ihr ein Taschentuch.
«Sie sind eine sehr schöne Frau, Nadine. Und so ganz anders als die Mädchen, die hinter ihm her waren.»
«Ich hatte leider nicht das Vergnügen, ihn kennenzulernen. Vielleicht wäre es mir gelungen, ich wollte mich nämlich zum Sicherheitsdienst beim Konzert einteilen lassen.»
Anna Lauscher lächelte.
«Sie hätten ihm gefallen. Das hier ist ein Foto aus dem Keller vom ‹Hirscheneck›. Dort sind Johannes und Peter immer wieder aufgetreten. Sogar noch, als sie schon berühmt waren. Johannes sagte immer, dass
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