Requiem für einen Rockstar (German Edition)
Piet sprach von Verrat, nannte mich eine billige Hure und raste mit seinem Wagen davon. John nahm das alles auf die leichte Schulter. Es sei gut so. Endlich seien die Verhältnisse geklärt. Piet würde darüber hinwegkommen und mit den Devils weitermachen.»
«Aber dem war nicht so», brummte Ferrari.
«Piet war tief gekränkt und verglich John mit seinem Vater. Auch einer, der ihn im Stich gelassen habe. John sei keine Spur besser, habe ihre Ideale, ihre Visionen über Bord geworfen, die tiefe Freundschaft verraten. Und alles wegen einer Hure! Doch Piet wollte nicht kampflos aufgeben. Am nächsten Morgen ist er zu John ins Stadion gefahren.»
«Aber er war doch bei seiner Mutter», wandte Nadine ein.
«Anschliessend. Seine Mutter war an diesem Morgen nicht gut drauf. Sie hatte geschlafen und gar nicht gemerkt, dass er erst kurz vor zehn Uhr bei ihr war, und nicht schon um neun. Somit hatte er ein Alibi, wenn auch ein wackliges. Habt ihr ihn jemals verdächtigt?»
«Nein, Mark und Alf auch nicht», gab Nadine zerknirscht zu. «Wie ist er ins Stadion reingekommen?»
«John sass im A2. Von da aus hast du eine gute Sicht zum Eingang. Piet hat gerufen und John hat ihn eingelassen. Wieso auch nicht? Sie waren die besten Freunde …»
Ina brach in Tränen aus. Die ganze Zeit über hatte sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Doch der grosse Verlust, die verlorene Liebe überwältigte sie. Nach ein paar Minuten hatte sie sich wieder gefangen.
«Sie haben sich in der Garderobe unterhalten. Als John nicht nachgab, fühlte sich Piet endgültig verraten. Er ging weg. Hier in diesen Raum. Anscheinend stand ein Kasten offen. Als er den Baseballschläger entdeckte, muss bei ihm eine Sicherung durchgebrannt sein. Wie in einem schlechten Film sah er all das, was er mit John über Jahre aufgebaut hatte, in Gefahr. Das durfte nicht sein. Piet ist mit dem Schläger zurück in die Garderobe gegangen und …»
Inas Blick verlor sich in der Enge des Raums. Tränen liefen über ihre Wangen.
«Mein Gott!», stöhnte Ferrari.
«Piet sagte mir, dass John sein Handy in der Hand hatte. Vielleicht wollte er mich anrufen…»
«Und der Baseballschläger?»
«Den hat er mit nach Oberwil genommen. Bestimmt liegt er noch irgendwo bei seiner Mutter rum … Piet konnte einfach nicht ertragen, dass John ihn verlassen wollte.»
«Weil dann die Devils keinen Erfolg mehr gehabt hätten.»
«Nein. Es war das Verlassenwerden. John war für Piet wie ein grosser Bruder, dem er blind vertraute. Sein grosses Vorbild. Mehr noch, sein Halt im Leben. Wenn ich das früher erkannt hätte, wäre es vielleicht nicht zu dieser Katastrophe gekommen. Jetzt ist es zu spät. Zu spät für alles …»
Ina Helmers schluchzte. Es würde Zeit brauchen, viel Zeit, bis die Trauer um John kleiner, der Schmerz leiser werden würde. Ferrari nickte. Ja. So musste es sich abgespielt haben. Eine Tragödie … eine, die ich vielleicht hätte verhindern können. Ich hätte nur seine Mutter fragen müssen, wann er zu ihr nach Oberwil gekommen ist. Wahrscheinlich wäre sie unsicher gewesen und ich dadurch misstrauisch geworden. Hätte … wäre … Was, wenn Piet mich absichtlich zu seiner Mutter geschickt hat, um mich auf die richtige Spur zu bringen? Nicht auszudenken.
«Ich möchte nochmals auf die Bühne zurück, Nadine. Bleibst du bitte bei Frau Helmers?»
Es war eine sternenklare Nacht. Das Stadion lag im Dunkeln. Nur ein Scheinwerfer beleuchtete den Ort, an dem Piet sich umgebracht hatte. Blutspuren zeugten von der traurigen Tat. Erst jetzt realisierte der Kommissär, dass sein Hemd und seine Hände über und über mit Blut verschmiert waren. Er setzte sich an den Bühnenrand und sah zum Himmel hoch. Vollmond. Die Stille wirkte unheimlich. Wie kann jemand, der so schöne Musik macht, einen solchen Mord begehen und sich danach selbst richten? Schicksal? Nein, das wäre zu einfach. Und einfach ist es nicht, das Leben.
29. Kapitel
Tausende von Fans trauerten um ihre Idole John und Piet. Vor dem St. Jakob-Park zündeten sie Gedenkkerzen an und legten Blumen nieder. Ein leuchtendes Tränenmeer. Die Beerdigung fand im engsten Familienkreis statt. Die Angehörigen hatten sich entschieden, die beiden Freunde im gleichen Grab beizusetzen. So würde Piet zumindest im Tod wieder mit John vereint sein.
Hanno Helmers wurde wegen Urkundenfälschung und Betrug zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt. Seine Frau Ina liess sich von ihm scheiden. Sie wurde eine
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