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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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Besucher an. Sie genießen Eis im Genoa, flanieren auf der Promenade. Auf den niedrigen Ufermauern sitzen Verliebte. Mit der Gegenwart haben diese kleinen Ferienorte jedoch nichts zu schaffen. Sie sind gebaut worden, damit man auf lange, heiße Sommer zurückblicken kann, die vielleicht existierten und vielleicht nicht, sie sind gebaut worden für sonnengebleichte Erinnerungen an eine Kindheit am Strand.
    An der Strandpromenade stehen Pflegeheime, in denen die Schlurfenden und Zögernden untergebracht sind, verwirrte Greise, die wissen, dass einen die Vergangenheit zunichtemachen kann. Margaret sitzt im Stella Maris Home in einem Fauteuil und schaut aufs Meer hinaus. Eddie McCrink starb 1987 im Schlaf. Margaret hat die folgenden zwanzig Jahre zumeist in Krankenhäusern und Seniorenwohnanlagen zugebracht. Sie ist sehr alt. Sie glaubt, sie sieht Leute am Ufer entlanggehen, die sie kennt, und manchmal nimmt Pearl ihren Platz ein in dieser Prozession der Geister, orientalisch angehaucht mit ihren schräggestellten Augen und ihrer Porzellanhaut, kultiviert, sinnlich und mit einem Hang zum Düsteren, wenn sie an den verlassenen Becken des Schwimmbades vorbeigeht. Sie schützt die Augen, wenn sie hochblickt und gegen die Mittagssonne den Umriss eines Männerkörpers erkennt, ein Phantom, das bereit ist zur Flucht.

Sechsundzwanzig
    Samstag, 28. Januar 1961
    P earl machte sich fertig, um auszugehen. Sie trug einen schwarzen Bleistiftrock und eine rote Bluse mit einem breiten schwarzen Ledergurt um die Hüften, den sie sich von Ronnie geliehen hatte. Sie saß vor dem Spiegel des Schminktisches und trug sehr helles Make-up und einen dunklen Lidstrich auf, um die natürliche Blässe ihres Gesichtes zu unterstreichen. Sie verwendete einen tiefroten Lippenstift von Rimmel, den sie sich nur leisten konnte, weil sie als Mitarbeiterin Rabatt bekam. Sie wusste, dass andere Mädchen manchmal Sachen in ihren Taschen verschwinden ließen, aber Pearl bezahlte lieber. Ihr gefiel das Gefühl, sich gewisse Dinge verdient zu haben, und ihr gefiel das teure Gefühl des Lippenstifts. Sie hatte ihre Haare aus dem Gesicht gekämmt und zurückgebunden. Im Spiegel scheint ihr Antlitz teilnahmslos, und da ist er wieder, der Geisha-Look. Man kann sie direkt vor sich sehen, in einem kunstvollen Kleid, wie sie sich in kleinen Schritten und auf diese leicht humpelnde Weise bewegt. Ihr Gesicht ist ohne Ausdruck, aber wissend, mit einer jahrhundertealten Erfahrung in Sinneslust.
    In diesem exotischen Idealbild ist der Tod enthalten. Das wächserne, leblose Aussehen, der Hauch von Atem aus dem Reich der Toten, die sexuellen Erwartungen so hoch, wie es nur geht. Es hat etwas Verführerisches, Pearl dabei zuzusehen, wie sie sich für den Tanz bereit macht, von Zimmer zu Zimmer gleitend, als lebe sie in einem exotischen Zuhause, das von Wänden aus Reispapier unterteilt wird. Da ist die Ahnung, dass geheimnisvolle Anweisungen sie erwarten, die Erotik der letzten Dinge.
    Sie wollte sich mit Ronnie am Ende der Belfast Road treffen. Die Nacht war kalt. Die Tage zuvor hatte es geschneit und an schattigen und höher gelegenen Stellen lag noch immer Eis. Pearls Mutter rief ihr nach, Mantel und Hut zu tragen, aber stattdessen legte sie sich einen Überwurf um die Schultern.
    Als Pearl am folgenden Morgen nicht nach Hause kam, meinte ihre Mutter später: »Ich war nicht übermäßig besorgt, weil ich dachte, Pearl habe sich entschieden, bei einer ihrer Freundinnen zu übernachten.«
    In jener Nacht fanden weitere Tanzveranstaltungen statt. In den Zeitungen steht, dass im Maxim getanzt werde, in Thompson’s Alfresco Rooms. Im Flamingo spielten die Clippertones.
    Der Tanz, der in der Henry Thompson-Gedächtnishalle stattfand, war eine Benefiz-Veranstaltung. Der Abend hatte einen militärischen Unterton, die Stadtmilizionäre und Korps waren vor Ort, Mitglieder der Landwehr und eine Sondertruppe der Polizei waren anwesend.
    Ronnie wartete am Ende der Straße auf Pearl. Ronnie war stiller als üblich. Sie hatte Probleme mit ihrer Gesichtshaut, und Pearl hatte ihr geraten, das Make-up nicht zu dick aufzutragen, »weil das die Poren verstopft«, wie sie sagte.
    »Wo wäre ich ohne meine Schminke?«, wollte Ronnie wissen.
    Ronnies Gesichtshaut war fleckig, sie hatte Pickel auf dem Kinn. Den Leuten fiel auf, wie unterschiedlich sie waren. Pearls ebenmäßige Maske und Ronnies käsiges, schlecht geschminktes Gesicht. Ronnie hatte McKnight seit einigen Wochen nicht erwähnt,

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