Requiem: Roman (German Edition)
hätten den nicht mal mit der Beißzange angefasst.«
»Hat McGladdery in jener Nacht mit Pearl getanzt?«
»Zwei oder drei Mal«, sagte Ronnie und setzte sich aufrecht hin, »ich war mit meinem Liebsten da.«
»McKnight?«
»Ja. Und Pearl hat uns begleitet.«
»War Ihnen das nicht ein bisschen zu viel?«
»Zu dritt ist man in Gesellschaft.«
»Später haben Sie Pearl dann ihrem Schicksal überlassen?«
»Sie hat sich nicht beklagt. Jedenfalls nicht am Anfang.«
»Ist etwas passiert?«
»Nichts ist passiert. McGladdery hat mit ihr getanzt, dann ist die andere Bande reingekommen. Die Tennistruppe. Die haben McGladdery gern in ihre Mitte genommen. Sie haben nämlich einen ziemlichen Ruf.«
»Haben die beiden viel miteinander geredet? Pearl und McGladdery?«
»Sie kannten sich nur vom Sehen. Pearl meinte, sie hätte ihn vielleicht zwei oder drei Mal gesehen, als sie klein war. Sie hat gelacht, das hab ich gesehen. Er hat was zu ihr gesagt, und sie hat gelacht.«
»Tatsächlich«, sagte Johnston, »dann kannte er Miss Gamble also?«
»Das würde ich nicht sagen.«
»Für mich klingt es aber so. Was für eine Art Mädchen war sie denn?«
»Was soll diese Frage?«
»Ich meine, hat sie viel Zeit auf dem Rücken verbracht?«
»Sie reden über sie, als wäre sie irgendein Tier vom Acker. Pearl war ein anständiges Mädchen.«
»Hat sie ihn an der Nase herumgeführt?«
»Sie war nicht der Typ, der irgendwen an der Nase rumführt.«
Ronnie blickte sie nicht an. Vor ein paar Monaten hatte sie sich nach einem Tanz in der Town Hall von Warrenpoint mit Pearl gestritten. Pearl hatte sich schlecht gefühlt, und McKnight hatte ihr angeboten, sie nach Hause zu bringen.
Eine Meile außerhalb von Warrenpoint hatte McKnight versucht, bei ihr zu landen, während sie das Schwemmland an der Meeresenge entlangfuhren. Regen ging auf die Frontscheibe nieder, der Wagen war erfüllt vom Geruch von McKnights Rasierwasser, einem herben Männerduft. Er sagte ihr, sie sehe wunderschön aus und es stehe ihr gut, wie der Ledergürtel ihr weißes Leinenkleid in der Taille zusammenraffe. Er hielt auf einem Parkplatz und legte den Arm um ihre Schulter. Auf dem Parkplatz standen andere Autos. Im schwachen Licht der Hafenlampen bewegten sich Umrisse hinter den Scheiben, geisterhafte Bewegungen hinter beschlagenem Glas. Von den Kiefernwäldern an diesem Teil des Meeresarmes hieß es, dass es dort spuke. Es war die Rede von einer weißen Frau, einem toten Minnesänger und Okkultisten, die sich in dem übersinnlichen Unterholz herumtrieben.
»Hör auf damit«, hatte Pearl zu McKnight gesagt. Er fasste ihr ans Knie, beugte sich über sie und sagte ihr, sie sei ganz anders als Ronnie. Sie habe Stil, sei eine richtige Lady. Pearl hatte sich an einen anderen Ort gewünscht, McKnights Atem an ihrem Ohr, seine Hände auf ihrem Körper. Sie besaß die Gabe, aus sich selbst hinauszutreten. Sie hatte von Leuten gelesen, die ihren Körper während Operationen verließen. Sie schwebten an die Decke empor und blickten auf das Team der Chirurgen und Krankenschwestern hinab, die sich mit ihrem Körper abmühten wie Anatome in alten Büchern. Sie konnte die roten und grünen Markierungslichter im Kanal sehen, die Schiffe hinter den Sandbänken, wie sie durch die Nacht glitten.
McKnight ließ von ihr ab, sank auf seinen Sitz zurück und zündete sich eine Zigarette an.
»Ronnie hat doch recht gehabt«, sagte er, »du bist wie ein verdammter Eisberg.«
Pearl erzählte Ronnie nichts von dem Zwischenfall, aber am darauffolgenden Samstag hatte McKnight Ronnie gegenüber behauptet, Pearl habe ihn in jener Nacht küssen wollen, aber er habe sich nicht darauf eingelassen.
Ronnie begegnete Pearl in den Toiletten der Town Hall. Die Toiletten waren voller Mädchen, die sich Festiger in ihre Haare sprühten, großes Augen-Make-up vor halb blinden Spiegeln auflegten. Mädchen, mit denen sie einst zur Schule gegangen waren. Mädchengekeife, Mädchengefauche, eifersüchtige Boshaftigkeit. Die Hierarchie der Mädchen zeigte sich in den vernichtenden Blicken, die von Kopf bis Fuß gingen, den Bemerkungen, die folgten. Irgendeiner war immer schlecht, irgendeine weinte immer in einer der Kabinen, das Gesicht von Wimperntusche verschmiert, in Erinnerungen verstrickt in ihrem clownesken Aussehen, vergrämt, wieder und wieder den Namen eines Jungen wiederholend.
»Was hast du dir dabei gedacht, deine Flossen nicht von meinem Typen zu lassen?«, fragte Ronnie.
»Hab
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