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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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angespannt und bemüht freundlich, bevor er sich an ihr vorbei ins Haus schob.
    »Robert ist nicht da«, sagte sie, »aber das wisst ihr Jungs ja schon. Er kann ja nicht mal auf die Toilette, ohne dass da schon ein Spanner wäre, der ihm sein Dings hält.«
    Das Haus war ungepflegt. Roberts Zimmer durchsuchten sie zuerst. Er hatte Illustrationen aus Bodybuilder International ausgeschnitten und über seinem Bett an die Wand geklebt. Glänzende, geäderte Oberkörper, die McCrink nur ansehen konnte, wenn er sich dazu überwand. Die ganze Rückseite der Tür war mit einem Spiegel bedeckt. McCrink stellte sich vor, wie Robert davorstand, sich hin und her bewegte und versuchte, seine Muskeln zu spannen und mit winzigen selbstgefälligen Zuckungen zum Hüpfen zu bringen. Neben der Tür lagen ein Expander und selbst gefertigte Hanteln.
    Eines Nachts ging Robert zu Mervyns Garage hinaus. Er zündete eine alte Karbidlampe an. Oben auf dem Gestell mit den Werkzeugen lag ein Koffer. Der lederbezogene Kasten war alt, die Beschläge zerfressen. Er öffnete den Koffer und nahm einen Stapel vergilbter Hefte heraus, Penthouse und Carousel. Die Seiten hatten sich mit der Zeit verfärbt, die Druckqualität war schlecht. Seite um Seite stummer, vom Licht getroffener nackter Mädchen, die benommen wirkten, in einem zwielichtigen Sog gefangen.

Neun
    I n der gleichen Nacht nahm Speers McCrink mit zum Haus der Gambles, nördlich des Bahndamms.
    McCrink und Speers parkten unterhalb des Damms und sahen den 18 Uhr 10-Zug vorbeifahren, die eisenverkleidete Diesellokomotive. McCrink spürte das Rollen der schweren Achsen im Boden unter seinen Füßen, während der nordwärts fahrende Zug die Steigung hinter sich brachte. Er konnte die Fahrgäste sehen, die durch die Dunkelheit transportiert wurden. Speers starrte dem Zug nach, der in der Nacht verschwand.
    Nachbarn standen in der Dunkelheit und traten beiseite, als die zwei Ermittler auf das Haus zugingen. Keiner sagte ein Wort. McCrink konnte das Weiß in Speers Augen erkennen. Er sah aus wie ein Mann auf dem Weg zu einem Urteilsspruch. In der Ferne ertönte das Horn des Zuges, der die Fahrt vor Newry-Station verlangsamte, und McCrink spürte Speers neben sich aufschrecken, weil der bedrückende schrille Klang wie das Schreien eines Aasgeiers durch die Nacht schallte.
    Die Gaffer schlossen die Reihen hinter ihnen. Sie fühlten sich offenbar dazu aufgerufen, sich schweigend in der Dunkelheit zu versammeln. Sie hatten dieses grässliche Amt auf sich genommen. Männer standen vor dem Eingang des Hauses, das der Gemeinde gehörte, und rahmten die einfache, hölzerne Tür mit ihrer Masse und Autorität. McCrink begriff, dass der Mord die Doppelhaushälfte verändert hatte. Die Leute, die sich flüsternd unterhielten, den schmucken Zaun, den Kiesweg.
    Die Polizeibeamten traten ins Haus. Türen standen offen, Leute saßen auf Treppenstufen. McCrink bemerkte die Mutter als Erster. Sie saß im Wohnzimmer auf der Kante des Sofas. Sie hatte schräg geschnittene Augen und den schmalen, spitzen Mund ihrer Tochter. Sie hielt den Blick abgewendet, als betrachtete sie eine persönliche Qual aus nächster Nähe und wäre besorgt, diese Qual nicht mehr wiederzufinden, sobald sie aufhörte, sie mit ihrem Blick zu fixieren.
    Der Kamin war mit Nippes verziert, Porzellanhunden, Statuetten, es sah aus wie Grabschmuck. Pearls Vater saß der Mutter in einem Ledersofa gegenüber. Ein kleiner Mann mit zurückgekämmtem Brillantine-Haar. McCrink bemerkte Öl unter seinen Fingernägeln. Er trug einen blauen Mechanikeroverall. McCrink stellte ihn sich in einer Hinterhofwerkstatt vor. Ein Mann mit geschickten Händen, der einen Abschleppwagen besaß, der gut in Schuss war. Werkzeuge, sauber geordnet. Die Verkörperung des guten Engels bei Autopannen. Bestimmt war der Mann Anhänger einer Welt kunstvoll gefertigter Maschinenteile, feiner Funktionsspielräume. Er betrachtete seine Hände, als könnten sie den Kummer, der ihn auffraß, in eine Form bringen. Als ließen sich selbst an einem Verlust feine Berichtigungen anbringen. Angesichts des Unheils, das ihr Haus heimgesucht hatte, waren die Eltern hilflos.
    McCrink bemerkte Unruhe in der Diele, Bewegung unter den Trauernden. Eine Gestalt im Schwarz der Geistlichen betrat das Zimmer, ein Mann mit schwarzem, nach hinten gekämmtem Haar und hohen Wangenknochen. Er forderte sie auf, sich hinzuknien, und zog eine ledergebundene Bibel aus der Tasche. Er las aus dem Fünften Buch

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