Requiem: Roman (German Edition)
Mann, der ihnen in die Quere kommt.«
»Sie meinen, dass er Angst hat vor Frauen? Dass er unter Umständen handgreiflich wird?«
»Sie legen mir Worte in den Mund, Mr McCrink. Sie wären nicht der erste Polizeibeamte, der einem Mann Worte in den Mund legt.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Der Mann, der für den Mord an Richter Currans Tochter verurteilt worden ist. Man sagt, der Detective, der das Verhör leitete, habe ihm gesagt, was er sagen soll. Es heißt, er hätte ihm beim Unterschreiben die Hand gehalten.«
»Und wie soll er das hingekriegt haben?«
»Detective Capstick sagte, er würde der Mutter erzählen, dass ihr Sohn ein Homo ist. Und der hatte solche Angst vor seiner Mutter, dass er lieber einen Mord gestand.«
»Vielleicht sagen Sie mir, wer Pearl umgebracht hat, wo Sie doch so ein großer Experte in Sachen Mord sind.«
»Zu mir brauchen Sie gar nicht erst zu kommen, wenn es darum geht, McGladdery an den Galgen zu bringen. Niemand hat gesehen, dass er irgendwas getan hat. Sie haben einfach beschlossen, wer’s war, und gar nicht erst nach jemand anderem gesucht.«
»Hat er irgendwelche Freundinnen?«
»Nicht, dass ich wüsste. Allerdings gefällt er den Frauen. Er ist ein guter Tänzer, und er weiß, wie man sich benimmt. Vielleicht hatte er welche, als
er in London war.«
Zehn
R onnie pflegte Pearl zu sagen, der Spalt zwischen ihren Vorderzähnen sei attraktiv, wie bei Filmstars, deren Aussehen einen kleinen Makel oder eine Eigenart habe. Ronnie nahm Pearl mit ins Kino Aurora und lachte über sie, wenn sie sich wunderte, dass alles so riesig war. Cowboys, die über die Leinwand ritten, festgewachsen auf Traumpferden, Schauspielerinnen, die sich riesengroße Küsse auf ihre makellosen Lippen geben ließen.
Ronnie brachte Pearl in die Bücherei. Sie schlugen Wörter nach im Französisch-Wörterbuch. Vierge bedeutete Jungfrau. Ronnie meinte, der Französischlehrer wäre ein guter Ritt. Un rideau . Das ist kein Französisch, du Depp, sagte Pearl. La mort , sagte Ronnie. Das ist das Wort für Tod.
Nach der Schule gingen Ronnie und Pearl für gewöhnlich in die Stadt. Die Jungs aus der Abbey Grammar School und der High School warteten bei der Steinbrücke und vor dem Einkaufszentrum auf die Busse. Die Unmenge Jungs machte Pearl Angst, das Gefühl von Mob, so als stehe alles kurz davor, außer Kontrolle zu geraten. Aber genau darauf legten es die Jungs an, wenn sie zusammengedrängt durch die engen Gehwege walzten. Ronnie pflügte sich mitten durch sie hindurch, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich und genoss die Rempeleien und erahnten Anzüglichkeiten. Sie genoss die Vorstellung, was die Jungs mit ihr anstellen würden, ihr gefiel es, wenn sie an ihren BH-Trägern zogen und die Haarspange wegschnappten. Pearl wollte ihr sagen, sie solle aufhören, weil sie damit schreckliche Sehnsüchte wecke.
»Vor den Frischlingen hab ich keine Angst«, sagte Ronnie trocken, »schon eher vor denen, die sie gezeugt haben.«
»Die haben keine Ahnung, wer sie sind«, erklärte ihr Pearl, »die wissen nicht, wozu sie fähig sind.«
Als könnte Pearl das Schicksal der Jungen voraussehen, das Drama des Erwachsenwerdens, das sie heimsuchen würde, die Gefahr, von einem Verbrechen mitgerissen zu werden. Finstere Schicksale wie Selbstmord im Teenageralter, tödliche Badeunfälle, Jungenstreiche, die aus dem Ruder laufen, oder die Gefahr, morgens um 2 Uhr leblos über dem Steuerrad in einem Straßengraben zu hängen. Die Beleidigungen und unanständigen Sprüche klangen wie Klagelieder, die zu ihrem Alter passten.
»Die wissen, was sie erwartet«, sagte Ronnie, »wissen, was auf dem Spiel steht.«
»Jungs sind dumm wie Bohnenstroh«, sagte Ronnie zu Pearl, »Mädchen nicht. Ich zumindest nicht. Eigentlich bin ich ein altmodisches Mädchen. Du bist anders, Pearl. Die Leute sehen dich anders an als mich. In zehn Jahren schiebt unsereins den Kinderwagen die Hill Street runter, und zu Hause hat sie einen nutzlosen Ehemann, der ihr zum Hals raushängt. Unsereins muss es sich so schön wie möglich machen, solange noch Zeit ist.«
Ronnie sah für Pearl ein gemütliches Zuhause voraus. Wie sie in Foster Newell’s Haushaltsabteilung hübsche Möbel aussucht. Eine exklusive Doppelhaushälfte im Stadtteil Meadow. Ersehnte Grundfeste eines gepflegten Heims.
Abends tranken sie oft Kaffee im Falloni’s oder im Satellite. Sie gingen die Unterhaltungsseiten des Belfast Telegraph durch und stellten sich vor, wie sie vor den
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