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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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ist nicht bekannt, ob diejenigen, mit denen Robert in London zusammenarbeitete, von seiner Haft und dem Mordprozess erfuhren. Vor seiner Verhaftung wurde in mehreren Londoner Tageszeitungen über ihn berichtet, aber die Leute, die in Soho arbeiteten, wechselten ständig. Leute verschwanden, ohne Adressen zu hinterlassen. Für die meisten war Soho etwas, das sie gern hinter sich ließen. Die Marktschreier, die Sex in Seitengassen anpriesen, die Clubs, in denen man übers Ohr gehauen wurde, die billigen Striplokale und die zwielichtige Kameradschaft waren nach ein, zwei Jahren genug.
    Robert verbrachte zehn Monate in London, aber er vermisste Newry und seine trüben, eleganten Malls und die rückständigen Fabriken. Er vermisste das Stadtzentrum und die leeren Hallen und zerbröckelnden Herrenhäuser der Industriellen an den Ufern des Kanals. Er sah die Stadt leer vor sich, wie eine von der Pest heimgesuchte Stätte früherer Zeiten, als feuchter Dunst aus den Beinhäusern durch die Straßen strich und einsame Seevögel über den nebelverhüllten Biegungen des Meeresarmes schrien.
    Als er einen Brief von Mervyn erhielt, der ihn an sein Angebot für eine Ausbildung zum Schuhmacher erinnerte, kehrte er nach Newry zurück.
    Die erste Person, die er nach seiner Rückkehr traf, war Will. Robert trug einen modischen schwarzen Anzug, den er kurz vor seiner Abreise aus London gekauft hatte.
    »Hab dich ja kaum erkannt, du Riesenspast«, sagte Will, »in dem modischen Londoner Aufzug.«
    »Was ist so los in der Stadt?«, wollte Robert wissen.
    »Hat sich nichts verändert«, sagte Will, »was man von dir nicht grade behaupten kann, du Schwächling.«

Elf
    Newry, 3. Februar 1961
    M cCrink hatte den Wagen beim Gerichtsgebäude abgestellt. Er ging jetzt zu seinem Auto zurück. Als er näher kam, sah er, dass die Eingangstür der Henry Thompson Memorial Orange Hall offenstand. Er betrachtete die verblichene, getäfelte Front der Halle des Oranier-Ordens mit den Bibelzitaten auf Anschlagzetteln. Er trat ein. Die Wände waren mit Seidenbannern und ramponierten Ordensketten der Oranier zugehängt. Über der Bühne hingen Wappenbilder der Freimaurer, an der hinteren Bühnenwand Plaketten des Flötenorchesters. Rising Sons of The Valley. Wahrhaftige Protestanten.
    Er war mit Margaret im Musikpavillon im Park von Warrenpoint verabredet. Sie kam zu spät, und er stand beim Tennisplatz und sah einem gemischten Doppel zu. Als Margaret eintraf, hängte sie sich bei ihm ein.
    »Was ist das nur mit dem Tennis?«, sagte sie, »die Spiele scheinen immer in der Vergangenheit stattzufinden.«
    »Sie sehen immer aus wie zu Zeiten von König Edward«, sagte er, »man denkt unwillkürlich an eine verloren gegangene Generation. Junge Männer in Tennishemden aus Flanell, die losgeschickt werden, sich deutschen Gewehren zu stellen. Als ich in der Zentralbibliothek arbeitete, hab ich stundenlang Hockeyspielern zugesehen. The Malone Hockey-Club. Man konnte bis dicht an den Rand des Spielfeldes und durch den Zaun zuschauen. Die Töchter der feinen Häuser, die in kurzen Röckchen Hockey spielen.«
    Der Inbegriff von Nostalgie. Mädchen aus dem Gymnasium, die an Sommerabenden Hockey spielten, gertenschlank und flink. Mädchen von Malone, anmutige Wesleyanerinnen. Stimmen gut erzogener Mädchen schallten über die Hockeyplätze, sie spielten, während die Dämmerung hereinbrach, lernten, wie wichtig es war, ernsthaft zu sein und sich im Leben enge Grenzen zu setzen und sich daran zu halten, ihre langen ausdrucksvollen Gesichter dem Spiel zugewandt, während der Abendwind durch das kurz geschorene Gras strich. Gelegentlich sah man eines der Mädchen alleine dastehen, niedergeschlagen, bestürmt von nie ausgesprochenen Sehnsüchten, wie ausgesetzt in dem kultivierten Park.
    »Diese Dinge wirken unschuldig, wenn man sich an sie erinnert.«
    Margaret sagte, dass die Hockeymädchen mehr vom Leben wüssten, als sie sich anmerken ließen. »Das ist dein Problem«, sagte sie, »du idealisierst diese Leute.«
    Es stimmte. Es fiel ihm schwer, die dunkle Hand des Unglücks in den Vierteln der Stadtkaufleute zu sehen, die üblen Absichten hinter den Lorbeerbäumen der Vorstadt.
    »Patricia Curran war eines deiner Hockeymädchen. Denk dran, was ihr zugestoßen ist.«
    Siebenunddreißig Mal war auf sie eingestochen worden, auf der Einfahrt zu ihrem Zuhause. Es waren so viele Stichwunden, dass der Arzt, der sie zuerst untersuchte, glaubte, sie sei von einer Schrotladung

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