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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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sich selbst, weil sie spürte, dass sie die Situation begriffen und den Tonfall getroffen hatte, dass sie den Ton angab. Sie versuchte, sich selbst als Stadtmädchen zu sehen, eines, das gern eine große Lippe riskierte. Das schlagfertig war.
    »Nicht auf den Mund gefallen, was?«, sagte Will.
    Er lächelte sie an. Ließ Pearl spüren, dass sie ihn am Haken hatte, ein Kleinstadt-Charmeur, auf ein sexuelles Abenteuer aus. Pearl sagte sich, dass das nichts schaden konnte.
    »Machst du einen Spaziergang mit mir?«, fragte Will.
    »Ich mach keine Spaziergänge mit Jungs, die ich nicht kenne«, sagte sie.
    »Machst du sonst irgendwas mit ihnen?«, sagte Will und lehnte sich zu ihr hinüber.
    Pearls Gesicht wurde leer, sie wandte sich von ihm ab und wartete auf seine Reaktion, auf das gezischte Wort: frigide.
    »Nein«, sagte sie, »ich geh zu meinen Freunden zurück.«
    »Mach nur«, sagte er, »mit Gelben geh ich sowieso nicht aus.«
    Als sie an den Tisch zurückkehrte, rümpfte Ronnie die Nase. Sie hielt nicht viel von Pearls Wahl in Sachen Begleiter. Sie behauptete, Will sei ein Perverser und McGladdery ein Aufschneider. Ein Mode-Heini. Das sagt die Richtige, dachte Pearl. Du hast doch selber Dreck am Stecken, ging es ihr durch den Kopf.
    »McKnight hat gesagt, dass er seine Frau verlassen wird«, erzählte Ronnie Pearl später. Wer’s glaubt, dachte Pearl.
    Will konnte nicht aufhören, über Pearl zu reden, nachdem sie das Café verlassen hatten.
    »Hast du gesehen, wie die mich angesehen hat, dieses Schlitzauge von einer Schlampe! Die ist fast gestorben vor Lust. Bei den Japsen und Chinesen sind die Frauen anders gebaut. Die haben den Schlitz andersrum.«
    *
    Etwa zu dieser Zeit fing Will an, bei Foster Newell’s aufzutauchen. Er tat so, als sehe er die Abteilung mit der Unterwäsche gar nicht, die Auslagen mit den Drahtgestellen, die Kunststoffbeine mit den darübergestreiften Strumpfhosen. Das atemberaubende Vokabular der Wäsche. Fleischfarben. Opaque. Er warf verstohlene Blicke auf die Nylonstrümpfe mit Naht und die Frauen, die sich über die Zellophanverpackungen beugten. All die geheimnisvollen Verschlüsse, Haken, Knöpfe und Druckknöpfe. Die hier versammelten Märchen zu Frauenkleidern.
    »Er kam direkt zu mir an den Schminktisch, um mit mir zu reden«, erzählte Pearl Ronnie, »ich hab nicht mehr gewusst, wohin ich schauen soll. Alle anderen Verkäuferinnen haben gekichert. Ich hab schon befürchtet, der Chef kommt.«
    Will fragte Pearl nach dem Make-up. Sie war sich nicht sicher, ob er sich über sie lustig machte. Er erkundigte sich nach den Bürstchen und Puderdosen. Wollte wissen, wie man das Makeup auftrug, wozu es gut war. Das Auftragen der Grundierung, und wie man darauf aufbaut, das Geschick, das dazugehört.
    »Geh bitte weg«, sagte sie, »die Theke hier ist nur für Frauen.«
    »Wir sind in einem freien Land«, sagte Will.
    Also beobachtete er sie aus der Entfernung. Sie war dabei, einer jungen Frau die Nägel zu lackieren, sie steckten in absichtlicher Zweisamkeit ihre Köpfe über der Theke zusammen, als verbände sie so etwas wie Freundschaft. Als Pearl nicht hinsah, steckte er ein Fläschchen Rimmel-Nagellack und mehrere Lippenstifte ein. Das war etwas, das er sich angewöhnt hatte. Er stahl Sachen und gab sie dann an Robert weiter. Ihm gefiel die Rolle des spendablen Banditen.
    »Sie gibt mir jede Menge Zeugs«, sagte Will, »sie hat gesagt, sie will sich eines Nachts mit mir auf dem Treidelweg treffen.«
    Robert gab die Lippenstifte und den Nagellack an Mervyn weiter.
    »Du könntest sie für die Züge brauchen«, sagte er, »falls du etwas in Pink machen willst.«
    »Ich hab ja schon ’ne ganze Menge Züge gesehen«, sagte Mervyn, »einen in Rosa aber ganz bestimmt nicht.«
    *
    Etwas später im selben Jahr ging Robert nach England; er nahm das Postschiff von Warrenpoint nach Liverpool.
    »Er hatte diese fixe Idee, nach England zu gehen«, sagte Will später, »er hat dauernd drüber geredet und behauptet, dass man es dort drüben zu was Großem bringen kann.«
    Robert hatte Bilder aus dem Bodybuilder International von den Weltmeisterschaften in Earls Court ausgeschnitten und an seiner Wand aufgehängt. Er stellte sich vor, zusammen mit Charles Atlas und anderen Weltmeistern auf der Bühne zu stehen. Reihen von Männern, die Muskeln gespannt und eingeölt, die Kameradschaft gemeinsamer Erinnerungen an Fitnesssäle kurz vor der Dämmerung, an Trainingseinheiten mit Gewichten und Hanteln,

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