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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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rund um die Uhr angesetzt war, wurde Special Constable John Morris in der Ortschaft Damolly postiert. Er sah, wie Robert das Haus durch die Vordertür verließ und mehrere Felder überquerte, bis er den Fluss Clanrye erreichte. Constable Morris beschrieb, wie sich McGladdery umschaute, bevor er in den hochstehenden Fluss stieg. McGladdery watete durch den Fluss, wobei ihm das Wasser bis zur Brust reichte. Dann ging er durch einige weitere Felder und kam zu der Fußgängerbrücke, die über den Kanal führt. Auf der anderen Seite des Kanals betrat er ein halb zerfallenes Haus und hielt sich mehrere Minuten lang darin auf.
    Als er es wieder verließ, verschwand er hinter der Damolly-Fabrik aus dem Blickfeld; einige Minuten später sah Sergeant Johnston, der mit dem Auto Richtung Stadt fuhr, wie er die Belfast Road entlangging. Wie Johnston aussagte, lud er McGladdery ein, auf die Wache am Corry Square mitzukommen und sich »trockene Kleider zu besorgen«, weil ihm auffiel, dass McGladdery durchnässt war. Laut Johnston blieb McGladdery auf der Wache, »bis er trocken war«.
    Die Hinweise der beiden Polizeibeamten wurden nie genauer erläutert. Wurde Robert bereits am Morgen nach dem Mord überwacht? Eine naheliegende Schlussfolgerung ist die Annahme, dass Robert Beweismittel zerstören oder auf irgendeine Art und Weise verändern wollte. Nach dem Mord befand sich die Stadt in Aufruhr. Freiwillige durchkämmten das Umland auf der Suche nach Beweisen. Es blieb offen, ob das halb zerfallene Haus nach Roberts gemeldetem Aufenthalt durchsucht wurde. Was die Aussage der beiden Polizisten betrifft, gibt es weitere Ungereimtheiten. Was meinte Johnston damit, als er aussagte, dass Robert auf der Wache geblieben sei, »bis er trocken war«?
    Die Aussagen der Polizisten deuteten an, Robert habe sich in den Tagen nach dem Mord heimlichtuerisch verhalten. Er habe am Ufer des Flusses gezögert und »sich für eine Minute oder länger in beide Richtungen umgeschaut«, bevor er ihn durchwatete.
    Wie bei vielen anderen Beweismitteln auch gibt es subtile Anspielungen in den Aussagen der Polizeibeamten, die der Anklagevertretung aufgefallen sein müssen. Die Tatsache, dass Robert zu einem »halb zerfallenen Haus« gegangen war. Das halb zerfallene Haus am Rand der Stadt war etwas, das in den Aberglauben der Gegend Eingang gefunden hatte. Das halbdunkle Innere, die Räume, in denen Abfall verstreut war, die verblichene Tapete. Die Leute glaubten, in dem Haus herrsche eine sensitive Spannung, sei eine alte Zauberkraft am Werk. Es war einer der Orte, die Geschehnisse beherbergten, an die man sich nur undeutlich erinnerte, folkloristischer Terror. Kinder bevölkerten diese Stätten mit einem Aufgebot dunkler Kräfte und Figuren. Die rote Frau. Der einarmige Mann. Verlassene Räume, vom Wind bewegte Gardinen. Indem Robert zu dem verlassenen Haus ging, wurde er selbst Teil einer unheimlichen Menagerie.
    *
    Auf Anordnung von Chief Constable Kennedy wurde Robert McGladdery am Morgen des 22. Februar 1961 um 7 Uhr 45 in seinem Haus in Damolly Villas verhaftet.
    Die Vollmacht für McGladderys Verhaftung war in der Wache am Corry Square vorbereitet worden. McCrink und Johnston fuhren in Speers Auto mit nach Damolly, gefolgt von zwei uniformierten Beamten in einem Streifenwagen. Sie hatten nicht angekündigt, was sie vorhatten. Die Straße war menschenleer, als sie in Damolly vor dem Haus anhielten. McCrink und Speers gingen zur Haustür und klingelten. Agnes McGladdery öffnete. Sie hörten ein Transistorradio aus dem Wohnzimmer. Agnes trug einen Morgenrock. Sie war unfrisiert. Sie wirkte schlampig und trotzig. Speers hielt die Vollmacht in die Höhe. Agnes drehte sich zurück ins Haus und redete in die Dunkelheit hinein.
    »Die Polizei ist hier. So, wie die aussehen, würd ich eine Tasche packen. Du wirst das Haus hier ’ne ganze Weile nicht zu sehen kriegen.«
    Robert kam aus dem Wohnzimmer. Er trug ein offenes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und hielt eine offene Ausgabe des Daily Mirror in der Hand. Das war das Bild, das McCrink von Robert bewahren würde. Ein Mann, der eben von der Arbeit nach Hause gekommen ist, duldsam, einverstanden mit seinen Beschränkungen, und dessen Gesicht sich veränderte, als er die Polizisten sah, und der wegen der bedauerlichen Sache, wegen der sie an seine Tür klopften, die Stirn runzelte. Er schien seine Schultern zu straffen und sich auf die erdrückenden Überraschungen zu konzentrieren, die bedrohlich vor

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