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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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Showbusiness, die in den Theatern an der Shaftesbury Avenue arbeiteten. Auch von den Girls aus der Raymond Revuebar, die Semi-Nackt-Shows zeigte, wurde es besucht. Die Revuebar wurde wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses immer wieder angezeigt und geschlossen. Robert fühlte sich unter den Darstellern wohl. Viele von ihnen waren Ausreißer. Er hörte Geschichten von rauen Kindheiten auf dem Land, häuslicher sexueller Gewalt. Robert erzählte ihnen, er werde ihre Geschichten von Mühsal, die mit Bravour besiegt worden war, und dem Überwinden aller Schwierigkeiten niederschreiben. Er bot ihnen mutig ein romantisches Märchen an, etwas, das sie der Zerstörung entgegensetzen konnten, die sie von innen her ergriff.
    Doch ab einem bestimmten Zeitpunkt der Nacht ließen sie sich gehen. Sie verschwanden mit einem der männlichen Gäste in der Nacht, einem, der zur nächtlichen Stammkundschaft der Gauner und Zuhälter gehörte.
    »Es ist, als wollten sie wie Dreck behandelt werden«, sagte Robert und sah zu, wie sie in die Nacht verschwanden.
    Die anderen Mädchen wurden dann jeweils still. Robert mochte reden, aber ihre Geschichten wurden von anderen geschrieben. In den Erzählungen der jeweils anderen erkannten sie an sich selbst die Wegzeichen billiger Existenzen. Die falschen Männer. Die unbezahlten Zimmermieten und Abtreibungen in Hinterhöfen. Sie zeigten Robert, wie man einen blauen Fleck oder eine Schnittwunde mit Gesichtspuder abdeckte, wie man ein blaues Auge mit einer medizinischen Augenklappe verbarg, damit es aussah, als sei man beim Arzt gewesen. Sie waren wegen Kuppelei und Ladendiebstahl verurteilt. Sie waren auf eine Art unzuverlässig, diebisch und arglistig, die sich Robert noch nicht einmal vorstellen konnte.
    An der Berwick Street gab es Geschäfte, die Titbits und andere schlüpfrige Magazine über die Theke verkauften. Wenn sie einen erst einmal kannten, holten sie andere Publikationen in braunen Papiertüten unter dem Tresen hervor. Die Ladenbesitzer grinsten anzüglich, machten Anspielungen auf unaussprechliche Verderbtheiten. Die Magazine enthielten qualitativ erbärmliche Fotoserien von Minderjährigen. Robert suchte auch die Buchläden in den Sträßchen hinter dem Bahnhof am King’s Cross auf und kaufte Bücher mit Titeln wie ›Souvenir aus dem Internat‹ oder ›My Secret Life‹. Dieses Material wurde gefunden, als die Polizei Roberts Haus in Newry durchsuchte, was zu den Gerüchten über seine sexuellen Vorlieben führte, die in der Stadt die Runde machten.
    Die Mädchen, die in dem Restaurant arbeiteten, hielten Robert für weltfremd. Sie deckten ihn, wenn er zu spät war oder die Glocke nicht hörte, die erklang, wenn es galt, Bestellungen in der Küche abzuholen. Er erzählte ihnen, russische Agenten hätten versucht, ihn in einem Fitnessstudio an der Tottenham Court Road anzuwerben. Er deutete eine frühere Anstellung in geheimen Regierungsprogrammen an. Er erzählte ihnen, sein Kopf sei voll von gefährlichem Wissen. Er träumte von U2-Spionageflugzeugen, die durch die Ionosphäre schwebten, als könnten sie über den Rand der bekannten Landmasse hinausdriften. Er sah sich Nachrichtenfilme über das Aufflackern des Kalten Krieges und sowjetische Divisionen, die sich zusammenzogen, bis zum Ende an. Er vertiefte sich in Literatur über Spione und Informanten.
    Montags und dienstags arbeitete Robert nicht. Dann nahm er den Zug aufs Land hinaus, um sich den Spionage-Stützpunkt in Menwith Hill und die Abhöranlagen anzusehen. Aber es waren die Nuklearraketen, die ihn anzogen, die Bunker und Silos. Die silbernen Flugzeugrümpfe, die sich sacht drehten, gesteuert von Stützpunkten in den USA, fesselten ihn. Er stellte sich vor, wie sie in die Atmosphäre flogen, wie ihre parabolischen Flugbahnen auf die Bevölkerungszentren der Sowjetunion, auf unbekannte Städte in der Tundra zielten.
    Er nahm den Zug nach Greenham Common und stahl im Bahnhof ein Fahrrad. Er radelte um den Stützpunkt herum, sah zu, wie die B52 starteten und landeten, und lauschte dem Brüllen der Triebwerke, wenn sie sich langsam in die Luft erhoben. Er machte die Reise mehrmals. Beim zweiten Mal wurde er von Mitgliedern der Militärpolizei verhaftet und auf die Polizeiwache in Greenham gebracht, wo er befragt wurde, bevor man ihn wieder freiließ. Eine Minolta-Kamera und ein Spiralblock, wie ihn Reporter verwendeten und auf dem er die Start- und Landezeiten der B52 aufgezeichnet hatte, wurden ihm abgenommen.
    Es

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