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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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ihm auftauchten.
    »Packst du mir eine Tasche, Ma?«
    »Ich pack dir auch zehn, wenn ich nur weiß, dass du dann für immer auf und davon bist.«
    »Du bist ein Schätzchen, Ma. Das einzige Problem ist, dass es nichts zu packen gibt. Die Bullen haben schon die meisten Kleider von mir eingesackt.«
    »Passen Sie bloß auf, Sergeant. Der klaut ihnen das Hemd vom Leib.«
    »Haben Sie meine Ma gehört, Mr McCrink? Welch großes Herz sie doch hat. Schon mal was von Mutterinstinkt gehört? Davon gibt’s in dem Haus hier nicht allzu viel.«
    »Nein«, sagte Agnes, »dafür gibt’s hier ’ne ganze Menge von die Ganze-Nacht-Durchsaufen und Deiner-Alten-nichts-von- der-Stütze-Abgeben. Das gibt es hier!«
    Hier brodelte tiefsitzender Familienhass, das spürte McCrink. In den Frotzeleien zwischen Mutter und Sohn lag etwas ungesund Verwahrlostes, das bei ihm einen schlechten Geschmack hinterließ. Speers blickte zwischen Mutter und Sohn hin und her. McCrink wusste, dass Speers verschiedene Mordfälle bearbeitet hatte, in die große Familienclans involviert waren, die in abgeschiedenen Gemeinden an der Küste lebten. Er wusste, was Hass im Blut von Familien über Generationen anrichtete, kannte die Territorien von Familienfehden.
    »Robert John McGladdery, ich verhafte Sie wegen Mordes an Pearl Gamble am 29. Januar dieses Jahres.«
    »Krieg ich Handschellen?«, fragte Robert.
    »Steig in den verdammten Wagen, McGladdery«, antwortete Johnston.
    Er wurde an diesem Morgen um 8 Uhr 45 auf die Wache der Royal Ulster Constabulary am Corry Square gebracht, wo man ihn des Mordes an Pearl Gamble anklagte, begangen in Damolly am 29. Januar 1961, zwischen 1 Uhr nachts und 9 Uhr am nächsten Morgen. Nach der offiziellen Anklage sagte Robert »eindeutig nicht schuldig. Ich bin ein unschuldiger Mann«.
    Als McGladdery verhaftet wurde, war ein einziger Fotograf vom Newry Reporter anwesend gewesen. Als Robert abgeführt wurde, standen Nachbarn vor ihren Türen. Er hatte einen wissenden Ausdruck auf dem Gesicht gehabt, als habe er eine boshafte Nebenbemerkung für diesen Augenblick vorbereitet, ein hemdsärmeliger Übeltäter, der unter einem unheilschwangeren Mond aus der Tür tritt.
    An der Wache am Corry Square hatten Reporter aus der Stadt und Presseleute aus dem ganzen Land auf ihn gewartet. Sie kannten Roberts Namen und riefen nach ihm. Man hatte die Anklagepunkte verlesen und ihn gefragt, ob er einen Anwalt verlange. Das wolle er, hatte er gesagt, und Luke Curran, ein Anwalt mit Büro in Trevor Hill, wurde berufen. Johnston fragte Robert, warum er Curran ausgesucht habe.
    »Weil er den gleichen Namen hat wie der Richter, dessen Tochter ermordet worden ist.«
    »Ich gehe mal davon aus, dass du dir nicht wünschst, Richter Curran für deinen Prozess zu kriegen.«
    »Das wär mir egal. Ich denke, man müsste ihm bloß auf die Finger schauen, damit er fair ist.«
    »Den Richter hast du dir ja nun schon ausgesucht, willst du dir jetzt auch noch die Geschworenen aussuchen oder was?«
    »Sie sind ja vielleicht ein Komiker, Sergeant.«
    »Der Komiker hier bin nicht ich, McGladdery.«
    »Falls ich die Geschworenen auswählen dürfte, wen würd ich denn da nehmen? Glauben Sie, meine Ma würde bei den Geschworenen mitmachen?«
    »Das würde man nicht zulassen.«
    »Nein, Sie wär zu scharf darauf, mich unter die Erde zu bringen.«
    Anwalt Curran, der in Wahrheit kein Verwandter von Richter Curran war, kam gegen 10 Uhr 15 auf der Wache an. Er verbrachte eine halbe Stunde allein mit seinem Klienten. Danach erklärte er, McGladdery plädiere auf nicht schuldig in allen Anklagepunkten und bestreite vehement jede Beteiligung am Mord an Pearl Gamble.
    Robert McGladdery wurde am 22. Februar 1961 des Mordes an Pearl Gamble angeklagt. Die Tat hatte zu unbekannter Uhrzeit am 29. Januar desselben Jahres in Weir’s Rock, Upper Damolly, stattgefunden. Er hatte eine außerordentliche Anhörung vor dem Gericht in Newry und blieb in Verwahrung, um am 4. April vor dem Downpatrick-Crown-Gericht zu erscheinen. Inspector Speers sagte vor Gericht aus, er glaube, er könne den Angeklagten mit dem Mord in Verbindung bringen. Er glaube zudem, McGladdery könnte versuchen, zu fliehen.
    Die Verhandlung wurde verschoben. Die Hecklichter des fensterlosen Gefängniswagens, der von der Rückseite des Gerichtes losfuhr und McGladdery wegtransportierte, verschwanden in der Dunkelheit, die in der bitteren Kälte des Februars früh hereingebrochen war. Es hatte an diesem Tag

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