Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
Vom Netzwerk:
gutes Gefühl.« Anne erzählte ihm von den unterschiedlichen Moderationsaufgaben, die sie vor der Kamera absolvieren musste. Und in dem abschließenden Gespräch konnte sie mit ihrem Sportwissen nicht nur über Fußball, sondern auch über Eishockey, Handball und Schwimmen punkten. »Blöd ist nur, dass ich mich noch bis Donnerstag gedulden muss. Die rufen nach ihrer Sitzung an, wenn sie mich für den Job haben wollen.«
    »Das ist ja wie in Stockholm, wenn der Literaturnobelpreis bekannt gegeben wird. Da warten auch etliche Schriftsteller darauf, dass ihr Telefon klingelt. Es soll Autoren geben, die sich Anfang Oktober nicht mehr aus dem Haus trauen, bloß weil sie Angst haben, diesen Anruf zu verpassen.«
    »Das kann mir nicht passieren. Ich habe meine Handynummer angegeben.«
    Sie lachten beide. Danach sprachen sie über die Mordfälle auf dem Reichsparteitagsgelände. Anne musste zugeben, dass die Theorie vom vertuschten Todesfall in den eigenen Reihen nach der zweiten Leiche nicht mehr zu halten war. Sie hatte ja in der Gartenstadt selbst miterlebt, wie aufgebracht und aggressiv die Rechtsextremen auf den ersten Mord reagierten. Und bei dem verschwundenen Parteigenossen, über den dort gesprochen worden war, handelte es sich bestimmt um Gessner. Deshalb waren sie auch so aufgeregt gewesen. Denn wenn der Holocaustleugner einfach nur untergetaucht wäre, hätten das einige seiner Mitstreiter bestimmt gewusst und weitererzählt. Beaufort berichtete Anne von seinem Hersbrucker Abenteuer, und jetzt schimpfte sie ein bisschen mit ihm. Sich auf eigene Faust mit den Neonazis anzulegen, sei ganz schön gefährlich, besonders nachdem sie beide am Mittwochabend einen solch spektakulären Abgang hingelegt hatten. Was, wenn dieser blondierte Typ ihn wiedererkannt hatte? Beaufort beschwichtigte Anne, auch wenn ihm selbst nicht ganz wohl dabei war, denn er hatte sich diese Frage auch schon gestellt. Vielleicht sollte er seine Recherchen lieber von der rechtsextremen Szene weg, mehr hin zu dem möglichen Mörder lenken. Er könnte sich doch mal in der örtlichen Antifa-Szene umtun, schlug Anne vor. Oder bei den militanten Ausländerorganisationen, da gebe es doch irgendwelche kurdischen oder iranischen. Oder bei den Israeliten. Feinde hätten die Neonazis ja nun reichlich, eben alle, die sie sich selbst zu Feinden erklärten.
    »Meinst du, der Mörder schlägt noch mal zu?«, fragte Anne.
    »Da bin ich mir sogar ziemlich sicher. Nach allem, was ich von Ekki aus dem neuen Obduktionsbericht erfahren habe, lässt der Täter auch noch die letzten Skrupel fallen. Er scheint zunehmend Geschmack daran zu finden, seine Opfer zu quälen.« Beaufort zog den Bademantel fester um sich; langsam wurde ihm kalt.
    »Ich will das gar nicht im Detail wissen. Das ist alles so unappetitlich. Warum geben wir uns überhaupt damit ab?«
    »Vielleicht, weil wir nun mal damit angefangen haben und nicht einfach mittendrin aufhören können. Und besser ist es ja wohl, man schnappt den Täter, bevor er wieder zuschlagen kann«, antwortete Beaufort ernst.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das alle gut finden. Ist dir auch schon diese klammheimliche Sympathie für den Mörder aufgefallen? So nach dem Motto: Da trifft es doch die Richtigen.«
    »Es gibt sicher eine Reihe von Leuten, die Gessner den Tod an den Hals gewünscht haben. Ich zähle ja auch nicht grad’ zu seinen Bewunderern. Aber zwischen Wunsch und Wirklichkeit besteht doch ein gewaltiger Unterschied. Diese Morde sind einfach abscheulich. Damit werden alle Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens infrage gestellt. Man tötet keine anderen Menschen. Niemals. Auch nicht die, von denen man meint, sie hätten es verdient.« Beaufort machte eine Pause, und auch Anne schwieg nachdenklich. »Außerdem will ich nicht noch Mitleid mit den Neonazis empfinden müssen. Dieser verrückte Mörder zerstört mein Weltbild. Vorher war alles so schön geregelt, da gab es hier die Guten und dort die Bösen. Aber jetzt …«
    »So einfach ist es nie gewesen. Zwischen schwarz und weiß gibt es eine ganze Menge Grautöne«, sagte die Journalistin lakonisch. »Glaubst du, dass alle Neonazis hier in der Gegend potentielle Opfer sind?«
    »Ich weiß nicht. Bestimmt steckt da noch mehr dahinter.« Beaufort dachte nach. »Wir müssten herausbekommen, was der Tote aus Baiersdorf und der Tote aus Hersbruck gemeinsam haben. Wir müssen das Missing Link finden.«
    »Für einen Bekämpfer unnötiger Anglizismen hast du aber

Weitere Kostenlose Bücher