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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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Zum Beispiel, dass ich gestern in Gessners Haus in Herbruck war.«
    »Ist nicht dein Ernst, oder? Warum hast du mir das nicht schon früher erzählt?«
    »Ich hab versucht, dich anzurufen, aber du bist nicht rangegangen«, sagte Beaufort resigniert.
    »Ja, Mist, mein Akku war leer, und ich hatte kein Aufladegerät mit«, entschuldigte sie sich. »Aber berichte es mir doch jetzt.« Sie schaute auf die Uhr. »Schaffst du das in drei Minuten?«
    »Das hat doch keinen Zweck. Du bist mit deinen Gedanken ganz woanders. Hast du dich gut vorbereitet aufs Casting?«
    »Ich glaube schon. Es war gut, dass ich gestern mit Katja noch fleißig geübt habe. Und wegen des Reichsparteitagsmörders rufe ich dich morgen Vormittag aus dem Bus an. Dann kannst du mir alles in Ruhe erzählen, okay? Ich muss jetzt wirklich los.«
    Er wünschte ihr viel Glück, Anne warf sich eine Jacke über, und weg war sie. Beaufort seufzte. Er stellte das Eisen zum Auskühlen hochkant auf die Spüle, klappte das Bügelbrett zusammen und hängte die fertigen Blusen in Annes Kleiderschrank. Dann setzte er sich auf die Bettkante, streichelte über Annes weichen Pullover, den sie vorhin ausgezogen hatte, und drückte sein Gesicht ganz fest hinein. Er duftete nach ihr. Wieder in der Küche schaltete er den Herd aus und öffnete die Kühlschranktür. Lustlos schaute er die Schnittchen an – der Appetit war ihm gründlich vergangen. Er schrieb Anne einen Gute-Nacht-Gruß und legte den Zettel auf ihr Kopfkissen, das er wieder aus dem Schrank geholt hatte. Dann bestellte er sich ein Taxi. Beaufort zog Schuhe und Jacke an und machte die Tür leise hinter sich zu.

 
    Ingemisco tamquam reus
    Seufzend steh ich schuldbefangen
     
    8. Kapitel: Samstag, 27. April
    Entsetzt starrte Beaufort auf die Digitalanzeige zwischen seinen Füßen. Ein ganzes Kilo mehr als gestern! Die Waage musste kaputt sein, schließlich hatte er das Abendessen ausfallen lassen. Na gut, er hatte im Jazz-Keller am Paniersplatz ein paar Bier getrunken. Zum ersten Mal seit langer Zeit war er mal wieder zur Jam Session gegangen, auch in der Hoffnung, David Rosenberg dort anzutreffen. Der war zwar nicht gekommen, Beaufort hatte aber auch so einen netten Abend verbracht und teilweise mitgespielt. Er zählte in Gedanken durch, was er getrunken hatte. Okay, sechs halbe Liter Landbier waren es bestimmt gewesen. Und dann war noch der Bassist auf den Gedanken gekommen, Eierlikör mit Fanta zu bestellen, weil das mit 15 das Hitgetränk im Partykeller gewesen war. Das Zeug hatte widerlich geschmeckt – Pubertätsnostalgie hin oder her –, aber getrunken hatte er auch davon so einiges. Wie sein Schädel wieder brummte. Er öffnete die Medikamentenschublade, ließ zwei Aspirin plus C in den Zahnputzbecher fallen, goss Wasser dazu und kippte das blubbernde Zeug in einem Zug hinunter. So konnte es nicht weitergehen! Zwei versackte Abende inklusive Alkoholabusus hintereinander waren eindeutig zu viel. Es hatte keinen Sinn, Sorgen im Alkohol ertränken zu wollen, denn Sorgen sind gute Schwimmer, hatte er erst kürzlich bei Robert Musil gelesen.
    Beaufort duschte erst heiß, dann kalt und war gerade beim Abtrocknen, als das Telefon klingelte. Er hatte keine Lust, jetzt zu telefonieren, ging dann aber doch hin, weil es ja Annes versprochener Anruf sein könnte. Im Display erkannte er ihre Handynummer und hob ab.
    »Guten Morgen, Geliebter. Ausgeschlafen?«
    Er hörte leises Motorengebrumm im Hintergrund. »Na ja, so halbwegs. Sag mal, das soll ein Fanbus sein, in dem du mitfährst? Da herrscht ja auf einer Kaffeefahrt mehr Stimmung. Also, wenn gleich einer kommt und Rheumadecken verkauft, bist du im falschen Bus gelandet.«
    »Sehr witzig. Wart nur ab, bis meine Fans in Stimmung kommen, dann geht hier nämlich die Post ab. Noch sind sie etwas müde, aber die ersten sind schon beim Frühstücksbierchen.«
    »Ist das eigentlich nicht gefährlich, wenn ihr vorm Stadion in Gelsenkirchen auf die gegnerischen Fans trefft? Und dann auch noch alkoholisiert. Man hört doch immer von diesen Hooligans.« Beaufort war besorgt.
    »Da mach dir mal keinen Kopf«, wiegelte Anne ab. »Ich fahre ja schließlich nicht bei den Ultras mit. Außerdem ist ein Fanbetreuer an Bord. Und anders als etwa zu den Münchener Bayern gibt es zu den Schalkern keine Feindschaft, sondern eine richtige Fanfreundschaft. Die Clubberer hier haben alle schwarzrote und blauweiße Fanschals um.«
    »Wie lief denn dein Casting?«
    »Ich habe ein ganz

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