Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Titel: Rescue me - Ganz nah am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Koch
Vom Netzwerk:
Mörder!
    Ryan wusste, damit hatte er Tyler großes Unrecht angetan. Und das bedauerte er mehr als alles andere auf der Welt. Niemals würde er diesen verletzten Blick vergessen. Tyler, im Rollstuhl, die knallrote noch blutverkrustete Narbe leuchtete in seinem bleichen Gesicht, ein Arm und ein Bein eingegipst. Und er hatte vor ihm gestanden, ihm die Worte um die Ohren geschleudert. Du bist schuld, dass sie tot sind. Du ganz alleine! Tyler hatte ihn angesehen, als hätte er ihm einen Dolch zwischen die gebrochenen Rippen gerammt.
    Nach einer Weile ebbte ihr Weinen ab.
    „Verstehst du nun, warum ich mit Tyler den Shelby fertigmachen muss?“, fragte Ryan und sah ihr in die verheulten Augen. „Wenn wir gemeinsam an diesem Wagen arbeiten, dann könnte ich es vielleicht wieder gut machen. Bitte, Mom. Lass es mich tun.“
    Mom schniefte, dann nickte sie. „Okay. Ich bin zwar der Meinung, du solltest von Tyler fernbleiben, aber ich sehe auch ein, wie wichtig es für dich ist.“ Sie zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Hosentasche und putzte sich die Nase. „In der Garage stehen drei Kartons. Darin sind alle Ersatzteile für einen Mustang. Ihr könnt sie haben.“
     
    Die nächste Stunde lief er unruhig in der Einfahrt auf und ab. Immer wieder blieb er vor den leicht muffig riechenden Kartons stehen, die er aus der Garage hervorgeholt hatte, und sah hinein.
    Diese Kartons waren wie Schatzkisten!
    Zwei Frontscheinwerfer hatte Ryan gefunden und auch eine Tachoanzeige. Es gab einen neuen Auspufftopf, der ihm gerade recht kam, denn der vom Mustang schien ein riesiges Loch zu haben. Er fand Kabelbäume, Vergaserteile, ein Blinkergehäuse samt dem dazugehörigen farbigen Glas, eine der eckigen Heckleuchten – sie war eigentlich von einem Thunderbird – ein Paar Scheibenwischer und verschiedene Teile, die zur Lenkung gehörten. Ryan fühlte sich, als wären sein Geburtstag und Weihnachten an einem Tag.
    Ganz oben im Regal hatte er sogar die Hintere der beiden Stoßstangen gefunden. Gut in Folie verpackt hatte sie die ganze Zeit auf ihn gewartet. Das Beste aber war der galoppierende Mustang, der vorne an den Kühlergrill gehörte. Ihm war sofort aufgefallen, dass der an dem Shelby fehlte.
    Wieder drehte er seine Runde, lief von den Kartons an der Garage die Einfahrt hinunter und schaute in freudiger Erwartung die Straße entlang. Kein Tyler.
    Die Harrisons, die Nachbarn von nebenan, fuhren zum Einkaufen. Zwei Stunden später kamen sie wieder, luden umständlich und mit vielen Diskussionen den Wagen aus – und er stand immer noch in der Einfahrt, wie bestellt und nicht abgeholt.
    Seine Mom fuhr den alten Honda Civic aus der Garage. Sie kurbelte die Scheibe runter und sah ihn mitleidig an. „Glaubst du, er kommt noch?“
    Ryan zuckte die Achseln. „Weiß nicht. Vielleicht ist ihm was dazwischen gekommen.“
    Dazu sagte sie nichts, zog nur ihre Augenbraue hoch. „Ich muss jetzt doch ins Büro, wir haben einen neuen Kunden, er will eine Besichtigungstour. In der Küche steht ein Auflauf im Ofen, iss, solange es noch heiß ist.“
    Er nickte nur, genau wissend, dass er nichts von diesem Auflauf essen konnte. Nicht, bis Tyler endlich aufgetaucht war. Seine Mom schien es auch zu wissen, denn sie seufzte leise, als sie die Scheibe wieder hoch kurbelte. Sie warf ihm noch einen Kuss zu, dann brauste sie davon.
    Ryan hockte sich zu seinen Schätzen und zog das alte Handy aus der Tasche. Dann durchforstete er die gespeicherten Telefonnummern. Irgendwo war auch Tylers Nummer, doch er wusste nicht, ob er sie noch benutzte. Ryan drückte auf ‚Wählen‘. Gleich würde er es rausfinden.
    Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er auf die Verbindung wartete. Es tutete. Mehrmals. Endlich verriet ein Knacken, dass am anderen Ende abgenommen wurde.
    „Ja?“, hörte er, es klang ausgesprochen mürrisch und abweisend. Doch er hatte Tyler erkannt.
    „Hier … hier ist Ryan …“, fing er an, dann wusste er nicht mehr, was er sagen wollte. „Ich … du …“ Sein Hals war wie zugeschnürt, seine schweißnassen Finger umklammerten klobiges Plastik, bis es mit leisem Knirschen dagegen protestierte.
    Früher hatte er nie Schwierigkeiten gehabt, mit Tyler zu telefonieren. Er plapperte munter drauf los, erzählte, was immer er zu erzählen hatte, und Tyler hörte zu. Wartete geduldig ab, bis er Luft holen musste, um dann seinerseits loszuquatschen. Doch nun? Nun kriegte er keinen vernünftigen Ton raus.
    Am anderen Ende herrschte immer noch

Weitere Kostenlose Bücher