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Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Titel: Rescue me - Ganz nah am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Koch
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dass viele Miss Pomeroys Gerede glaubten.
    Ryan sah auf. Seine Mom war mit ihrer Predigt noch immer nicht fertig. „Und Tyler? Der rennt in seinen Mephisto Kostümen herum und hält es nicht für nötig, sich einmal bei dir blicken zu lassen. Und jetzt kommt er an, um mit dir an einem Mustang zu schrauben? Da ist doch was oberfaul!“
    Er schnippte leicht hinter eine Weintraube, die auf der Tischplatte lag, und sah ihr zu, wie sie bis zur Tischkante rollte. Bevor sie zu Boden fallen konnte, griff er danach. Als seine Mutter fragend die Augenbraue hob, ließ er die Traube in seinem Mund verschwinden.
    Was sollte er sagen? Ryan seufzte. Ganz so, wie sie es darstellte, hatte es sich nicht abgespielt. Aber das wusste sie nicht.
    Laut sagte er: „Mom, bitte! So war es nicht. Du hast doch überhaupt keine Ahnung!“ Er sprang auf, und lief aus der Küche, wollte sich in seinem Zimmer vergraben. Er sprach niemals über dieses Thema und wollte jetzt auch nicht damit anfangen. Schon gar nicht wollte er mit seiner Mutter darüber reden.
    Doch sie ließ keine Ruhe. Ryan hatte die Hälfte der Treppe nach oben geschafft, da rief sie ihn zurück.
    „Warte!“, befahl sie scharf. „Was soll das heißen, ich habe keine Ahnung?“
    Er blieb stehen. Wenn seine Mom diesen Ton anschlug, war es besser, zu gehorchen.
    „Nach dem Unfall. Ich sollte ihn besuchen, bin aber nicht hingegangen. Ich konnte einfach nicht. Auf Johns Beerdigung habe ich das letzte Mal mit ihm gesprochen.“ Er ließ sich auf der Stufe nieder und legte das Gesicht in die Hände. Dann holte er tief Luft.
    „Erinnerst du dich an den Skandal? Als sie Tyler des Mordes an seinem Vater beschuldigt haben? Das geht auf mein Konto“, flüsterte er niedergeschlagen. „Ich nannte ihn einen verdammten Mörder. Schrie ihn an, er allein sei Schuld an ihrem Tod, er hätte sie beide umgebracht. Miss Pomeroy, diese neugierige alte Schachtel, stand in der Nähe und hörte alles mit an. Sie war es wohl, die den Reportern davon berichtete. In den Artikeln wurde zwar ihr Name nicht genannt,
    doch ich traue es ihr durchaus zu.“
    Die Schamesröte stieg ihm ins Gesicht, als er darüber nachdachte, wie er sich auf dem Friedhof aufgeführt hatte.
    ‚Verrückt‘ wäre noch gelogen.
    „Ach Gott, Junge! Wie konntest du das bloß tun?“ Mom setzte sich neben ihn und legte den Arm um seine Schulter. „Lass Tyler sein, wie er will, aber an dem Unglück war er nicht schuld. Niemand hatte Schuld. Es war ein Unfall. Selbst der Richter hat das so gesehen.“
    „Ich weiß, Tyler konnte nichts dafür. Doch außer ihm war doch niemand da! Ich wusste nicht, wohin mit meiner ganzen Wut. Es war so ungerecht. Dad und John waren tot, Tyler verletzt und ich hatte keinen einzigen Kratzer, bloß wegen dieser verdammten Grippe. Ich fühlte mich so schrecklich schuldig. Tyler … am Grab … er sprach nicht mit mir, sah mich nur an. So … ich weiß nicht, vorwurfsvoll. Und da bin ich einfach ausgerastet.“ Ryan verstummte, als er leises Weinen neben sich hörte. Seine Mom begann immer noch zu weinen, wenn das Thema auf den Unfall kam.
    Der Unfall. Der Tag, an dem seine Welt aus den Fugen geriet. Was damals geschehen war, ließ sich mit wenigen Worten zusammenfassen. Zu dritt unternahmen Tyler, John und sein Vater Rick eine Spritztour mit dem nagelneuen Hot Rod. Er war nicht mit, lag im Bett. Sommergrippe. Er wusste noch, er hatte seinen Dad angefleht, ihn trotzdem mitkommen zu lassen. Doch seine Mom hatte es ihm rigoros verboten.
    Es war Tyler, der fuhr. Er überholte gerade einen Pick-up, als irgendein Tier, ein streunender Hund, ein Waschbär – genau wurde es nie geklärt – vor ihnen über die Straße rannte. Tyler erschrak, der Truckfahrer erschrak. Tyler verriss, verlor die Kontrolle über die vierhundertfünfzig PS, touchierte den Truck, drehte und überschlug sich und knallte voll Karacho mit der Beifahrerseite voran gegen einen Baum.
    John Lafferty starb noch im Wrack, sein Dad auf dem Weg ins Krankenhaus. Tyler hatte mehr Glück. Er trug mehrere Brüche und ein zerschnittenes Gesicht davon, der Truckfahrer eine Gehirnerschütterung und Prellungen. Vieh und zerfetzter Hot Rod verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Ersteres im Wald, zweites später auf dem Schrottplatz.
    „Mom, bitte nicht.“ Hilflos zog Ryan sie in seine Arme. Während er versuchte, sie zu trösten, spürte er, wie ihn sein schlechtes Gewissen förmlich niederdrückte. Du hast sie umgebracht! Du verdammter

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