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Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Titel: Rescue me - Ganz nah am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Koch
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erwiesen hatte. Ein Blick in mein düsteres Gesicht, auf all das Leder, die Nieten und Ketten und schon verstummten sie. Wichen zurück. Ließen mich in Ruhe. Bereit, das Schlimmste von mir anzunehmen – und ich ließ sie in diesem Glauben.
    Ohne den Blick vom Spiegel zu lassen, trank ich einen weiteren langen Schluck Wodka. Als das Brennen in meinem Magen einem angenehm benommenen Gefühl wich, wischte ich mir mit dem Handrücken über die Wange. Solange, bis die blassrosa Narbe, die sich quer durch mein Gesicht zog, sichtbar wurde. „It’s Freakshow. Creepy Freakshow. Seht den Kinderschreck, nur drei Dollar Eintritt!“

 
Fünf
    „Mom? Mom, wo ist der Karton, in dem Dad die Teile für den Mustang gesammelt hat?“
    Seine Mom saß noch am Frühstückstisch und las in Ruhe die Zeitung. Sie verdiente ihre Brötchen als Maklerin, doch heute am Samstag musste sie nirgends hin, keine Häuser verkaufen. Als sie ihn in die Küche hereinstürmen sah, glitt ein wehmütiges Lächeln über ihr Gesicht.
    „Erst einmal heißt es ‚Guten Morgen‘. Dann komm her.“
    Ryan gehorchte, obwohl er genau wusste, was jetzt kam. Was immer kam, wenn sie dieses Lächeln zeigte. Zuerst wuschelte sie ihm durch die Locken. Achtung: jetzt! Dann strich sie ihm über sein zerschrammtes Kinn.
    „Tut es noch weh? Du hast mir immer noch nicht erklärt, wie es dazu gekommen ist. Und auch nicht, warum dein Fahrrad reif für den Sperrmüll ist.“
    Als er nicht antwortete, zog sie eine einzelne seiner Locken zurecht und seufzte. „Du siehst aus wie dein Dad.“ Dann hob sie den Kaffeebecher und trank, verbarg so die Rührung, die sie immer überkam, wenn sie an Dad dachte.
    Er aber verdrehte nur die Augen, pflückte ein paar der Trauben, die in einer gläsernen Schale auf dem Tisch standen, und schob sie sich in den Mund.
    „Bitte Mom! Wo ist der Karton?“, nuschelte er um die saftigen Traubenstücke herum. „Tyler kommt …“
    Seine Mutter unterbrach ihn verblüfft. „Tyler? Unser Tyler? Was hast du mit ihm zu tun?“ Sie war so erstaunt, dass sie glatt vergaß, ihn wegen des Redens mit vollem Mund zu tadeln.
    „Nun ja …“, druckste Ryan und kaute schneller. „Er hat sich diesen wirklich ultracoolen Mustang gekauft und den will er jetzt mit mir restaurieren. Und da dachte ich …“
    „Stopp“, unterbrach sie ihn erneut. „Noch mal. Tyler Lafferty hat mit dir geredet? Und sich einen Wagen gekauft, den er jetzt mit dir fertigmachen will? Einfach so? Findest du sein Verhalten nicht etwas ungewöhnlich?“
    Verdammt. Seine Mom hatte in den Befragungsmodus geschaltet. Wenn er das geahnt hätte, dann hätte er ihr nichts von Tyler erzählt.
    „Was ist daran so ungewöhnlich?“, fragte er zurück, obwohl er selber keine vernünftige Antwort darauf hatte. Ryan hatte darüber nachgedacht, doch im Grunde war er einfach nur froh, dass Tyler überhaupt wieder mit ihm sprach. „So etwas haben wir doch früher auch gemacht.“
    Seine Mom knallte ihren Becher auf die Tischplatte. „Ja genau! Früher! Und dann kam der Unfall. Danach habe ich wochenlang versucht, mit den beiden zu reden. Ich hätte mir gewünscht, dass wir diesen furchtbaren Schlag gemeinsam verarbeiten. Aber nein, keine Chance! Peg verschwand von der Bildfläche und igelte sich zu Hause ein, und Tyler, Tyler wurde zum … zum … weiß der Kuckuck, zu was der wurde!“ Sie war jetzt echt sauer, die beiden Laffertys wirkten auf sie wie ein rotes Tuch. „Und auf einmal taucht Peg wieder aus der Versenkung auf, und fängt an, den größten Teil der Männer dieser Stadt abzuschleppen. Sie hat wirklich vor niemandem haltgemacht!“
    Ryan senkte den Blick. Er wusste, wie die Leute von Peg Lafferty dachten. Er wusste auch, was sie von Tyler behaupteten.
     
    Die meisten Einwohner dieser Stadt hielten sich für gläubige Christen. Trafen sich brav jeden Sonntag zum Gottesdienst im Gemeindezentrum. Und als Tylers Metamorphose in den Prinzen der Finsternis begann, hatte die übereifrige Miss-alte-Schreckschraube-Pomeroy nichts Besseres zu tun gehabt, als ihm voller gottesfürchtiger Empörung alle möglichen Dinge anzudichten. Schwarze Messen auf dem Friedhof abzuhalten war nur eine der Unterstellungen. Ebenso oft behauptete sie, Tyler hätte ihre Katze entführt und Satan geopfert. Dabei war die Mieze wohl eher mit einem flotten Kater auf und davon. Und je furchterregender Tyler sich zurecht gemacht hatte, um so krasser wurden ihre Geschichten.
    Das Schlimme an der Sache war nur,

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