Reseph
Hilfsorganisationen, um Geld zu spenden, hatte er im Laufe der drei vergangenen Tage dreimal nach ihr gesehen. Wenn er auch froh war zu sehen, dass sie so stark wie eh und je war, mit ihren Pflichten und dem Schnee gut zurechtkam, umgab sie eine Aura der Traurigkeit. Als Fang-Doodle ihr heute Morgen in die Scheune gefolgt war und von einem Heuballen kläglich heruntermiaut hatte, war Jillian in Tränen ausgebrochen.
»Du vermisst Reseph, nicht wahr, Kumpel?«, hatte sie zu dem Kater gesagt. »Ich auch. Aber wie hat er einmal gesagt? Was vorbei ist, ist vorbei.«
Reseph wäre am liebsten aus dem
khote
herausgesprungen und hätte seine Worte zurückgenommen, aber er hatte wie gelähmt dagesessen, als sie den kleinen Vogel aus der Tasche zog, den er ihr einmal geschnitzt hatte, ihn entzweibrach und in den Müll warf.
Jillian, die immer alles aufbewahrte, einschließlich eines Rings von einem Kerl, der es nicht verdiente, zu atmen, hatte Resephs Geschenk weggeworfen.
»Ich schätze, das gilt auch für Menschen«, hatte sie geflüstert.
Sie war fertig mit ihm. Reseph hatte das Gefühl, sein Körper würde unter dem Gewicht seiner Todesqualen implodieren.
Wie hatte er so etwas nur sagen können?
Weil du nach dieser Regel gelebt hast, Arschloch.
Er brauchte einige Stunden, um sein Leben durchzugehen, um das Ereignis zu finden, das alles ausgelöst hatte. Fairerweise musste er wohl sagen, dass es viele Ereignisse gegeben hatte, aber eines hob sich ganz besonders heraus, und es erfüllte ihn mit Scham.
Das kleine Grab zu seinen Füßen enthielt einen Menschen, der nicht hätte sterben sollen, und der, wenn Reseph besser aufgepasst hätte, nicht zu ewigem Leiden in der Hölle verurteilt worden wäre.
Er sank auf die Knie und neigte den Kopf. »Es tut mir leid, Ariya. Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da gewesen bin. Es tut mir leid, dass ich nicht für dich gekämpft habe, wie ich es hätte tun sollen. Ich kann es nicht bei dir gutmachen, aber bei jemand anders. Und ich werde deinen Geburtstag nie wieder verpassen.«
Er beugte sich vor und drückte einen Kuss auf den Grabstein, den er selbst angefertigt hatte. Ihn überkam ein Gefühl des Friedens, und er konnte beinahe glauben, dass seine kleine Schwester ihm ihren Segen gegeben hatte.
Bei Ariya hatte er versagt, aber bei Jillian würde er nicht versagen. Er würde so um sie kämpfen, wie er es von Anfang an hätte tun sollen.
34
Jillian stellte den Pick-up neben dem Haus ab. Noch ehe sie den Motor ausmachte, fühlte sie schon eine Präsenz ganz in der Nähe. Die Härchen in ihrem Nacken prickelten, als ob sie beobachtet würde. Wenn diese Aegis-Arschlöcher ihr hinterherspionierten, würden sie gleich mit ihrer Schrotflinte Bekanntschaft machen.
Mit einem Fluch sprang sie aus dem Wagen und stapfte auf die Vorderseite ihres Hauses. Als sie die Tür öffnete, begrüßte sie der frische Duft einer Tanne. Aus dem Wohnzimmer drang Licht, ein vertrautes vielfarbiges Leuchten, und als sie eintrat, sah sie sofort den hell erleuchteten Weihnachtsbaum in der Ecke. Darunter lag ein riesiger Haufen eingepackter Geschenke.
In ihrer Kehle bildete sich ein Klumpen, und Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch, und als sie hinter sich eine Bewegung spürte, drehten die Schmetterlinge durch. »Reseph«, flüsterte sie.
»Frohe Weihnachten«, erwiderte er leise. »Ich weiß, es ist noch zu früh, aber wir hatten nie die Gelegenheit, uns den Weihnachtsbaum zu besorgen, über den wir gesprochen hatten.«
»Weil du deine Erinnerung zurückbekommen hast.« Sie drehte sich langsam um und wappnete sich. Doch das nützte nichts. Sein Anblick ließ ihr dummes Herz so heftig gegen ihren Brustkorb hämmern, dass es wehtat. Gott, er war so umwerfend wie immer, wie er da in Jeans und einem schwarzen gefütterten
Henley
-Hemd stand und ihm das Haar in üppigen Wellen auf die Schultern fiel.
»Ich vermisse dich.« Er räusperte sich. »Ich will alles wiedergutmachen.«
Er wollte die Tatsache wiedergutmachen, dass er nicht an sie gebunden sein wollte? Keine Chance. »Ich will’s gar nicht hören. Ich will, dass du gehst, und dann will ich dich die nächsten elfeinhalb Monate nicht wiedersehen.«
»Ich rühre mich nicht von der Stelle.« Seine Miene wurde hart. »Nicht, ehe ich das gesagt habe, was ich zu sagen habe.«
»Dann wirst du dich wohl mit der Wand unterhalten müssen, denn ich bin nicht interessiert.« Sie machte Anstalten, sich ins Schlafzimmer zurückzuziehen, um
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