Reseph
den du zu einem der Reiter wurdest, oder?«
»Ja.« Er befestigte ein rotes Birnchen neben einem blauen. »Meine menschliche Mutter brachte ein Jahr vor dem Fluch ein Mädchen zur Welt.« Seine Stimme war voller Zuneigung. »Ariya war großartig. Das Einzige, was mich wirklich glücklich machte. Ich habe nicht so viel Zeit mit ihr verbracht, wie ich es hätte tun sollen … ich war ständig unterwegs, habe getrunken und rumgehurt. Und dann, nach dem Fluch, waren wir alle eine Zeit lang vollkommen von Sinnen.«
Sie hatte von ihren mörderischen Amokläufen gelesen, der Zerstörung, die sie überall hinterließen. Reseph, der dazu verflucht worden war, Pestilence zu sein, hatte die Macht erhalten, Menschen, Tiere und Ernten mit Seuchen zu überziehen, und er hatte eine breite Schneise des Todes hinter sich hergezogen.
»Als ich endlich während einer Phase geistiger Klarheit nach Hause zurückkehrte, hatte meine Mutter Ariya wie gewöhnlich allein gelassen. Ich versuchte, mich um sie zu kümmern, aber …« Seine breiten Schultern hoben und senkten sich ein paarmal, ehe er fortfuhr. »Aber dann kam der Wahnsinn wieder über mich, und ich trank, tötete und hatte Sex. Es waren nur zwei Tage, aber als ich endlich wieder nach Hause kam, war Ariya fort.«
»Wo war sie?«
»Ein Dämon hatte sie verschleppt. Ich habe den Mistkerl bis nach Sheoul verfolgt und ließ ihn tagelang leiden, ehe ich ihn umbrachte.«
»Und deine Schwester?«, fragte Jillian zaghaft.
»Sie starb, als der Dämon sie durch das Höllentor mitnahm.« Als er sich nun zu ihr umdrehte, hatte sich seine Verzweiflung tief in sein Gesicht gegraben. »Da sie in Sheoul starb, sitzt ihre Seele dort fest, und sämtliche Dämonen, die in der Lage sind, Seelen zu erkennen, können sie foltern. Bis in alle Ewigkeit.«
Grauen schoss heiß und kalt durch Jillian wie Trockeneis. Sie schlug sich die Hand vor den Mund. »Oh mein Gott«, murmelte sie gegen ihre Handfläche. »Das ist …« Es gab kein Wort dafür, darum gab sie es auf, eines zu suchen.
»Ja.« Er schöpfte tief Luft, ließ sich Zeit damit. »Ich habe sie im hübschesten Teil Sheouls begraben und einige Monate lang nicht verlassen. Ich habe nicht gegessen. Nicht getrunken. Ich habe neben ihrem Grab geschlafen. Irgendwann hat Limos mich gefunden und fortgeschleppt. Aber es hat noch viele Jahre lang höllisch wehgetan. Danach wollte ich vermutlich nie wieder jemanden so lieben, wie ich sie geliebt hatte. Ich weiß jedenfalls, dass ich mich nie wieder so fühlen wollte. Es war leichter, glücklich und ungebunden zu sein. Den einfachen Weg zu wählen, wie Ares es ausgedrückt hat.«
»Aber dann hast du doch wieder Gefühle entwickelt.« Jillian schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. »Für mich.«
Er lachte bitter. »Aber mein altes Ich hätte niemals Gefühle entwickelt. Nein, es hätte dich gefickt und dich so schnell sitzen lassen, dass dir schwindelig geworden wäre.«
Seine hässlichen Worte bohrten ihr ein Loch in die Brust, doch sie machte tapfer weiter, fest entschlossen, ihn endlich zur Vernunft zu bringen. »Das versuche ich dir ja die ganze Zeit über klarzumachen. Du bist nicht mehr diese Person. Und du bist auch nicht der böse Dämon, der versucht hat, die Apokalypse in Gang zu setzen.« Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie tatsächlich solche Dinge sagte.
»Aber ich bin auch nicht der Reseph, den du kanntest.«
»Er ist der, der du wirklich bist«, versicherte sie in ihrer – wie Reseph sie nannte –
gestrengen Bratpfannenstimme
. »Er ist der, der herauskam, als keine Vergangenheit da war, um seine Persönlichkeit zu formen.«
»Ja, vielleicht.« Er ließ den Weihnachtsbaum endlich in Ruhe und setzte sich ihr gegenüber auf den Couchtisch. »Wer ich auch immer bin, ich werde um dich kämpfen. Ich will, dass du zu meinem Leben gehörst. Ich will, dass du meine Gefährtin bist, und ich will, dass du meine Kinder zur Welt bringst.«
Sie blinzelte. Heilige Scheiße, gleich würde sie umkippen. Wenn er sich erst einmal entschieden hatte, zu springen, dann sprang er auch. Ohne sich zu vergewissern, ob er gesichert war oder was am Ende des Sprunges auf ihn wartete.
»Du musst mir nicht sofort antworten. Ich bin bereit zu warten. Das ist vermutlich sowieso am besten.«
Vielleicht hatte sie sich ja noch nicht von dieser Sache von wegen Gefährtin und Kinder erholt, aber was er da zuletzt gesagt hatte, fand sie doch ziemlich verwirrend. »Warten? Ich will dir ja nicht
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