Reseph
Hölle den Standort des Aegis-Hauptquartiers nicht verraten. Vielleicht, weil sie die Sache der Dämonenjäger immer unterstützt hatte. Seit Tausenden von Jahren waren sie alles, was zwischen Dämonen und Menschen stand, und sie respektierte die gewaltigen Opfer, die sie dafür zu bringen bereit waren.
Einmal das, und zum anderen hatte die Aegis keine Ahnung, dass sie inzwischen ein paarmal für das Team Hölle gespielt hatte. Sie hielten sie nach wie vor für einen Engel des Himmels, und sie fand, dass das auch gar nicht so verkehrt war. Bislang hatte sie keiner ihrer Engelsgeschwister gefunden, verurteilt und ihr die Flügel ausgerissen, ehe er oder sie sie mit einem Fußtritt auf direktem Weg nach Sheoul beförderte.
Ihre Verbrechen waren von der Art, dass sie sich den Zwischenstopp im Reich der Menschen verscherzt hatte; dem Ort, an den die meisten in Ungnade gefallenen Engel gingen, um ihre Entscheidung zu treffen: entweder zu versuchen, sich die Rückkehr in den Himmel zu verdienen oder aber die Hölle zu betreten und damit unwiderruflich auf die Seite des Bösen zu wechseln, ein wahrer Gefallener zu werden. Nein, wie Reaver schon während ihres Kampfes vor drei Monaten gesagt hatte, war sie eine Gefallene … sie hatte nur noch nicht ihre Flügel verloren.
Reaver war eine echte Nervensäge.
Das alles war allein seine Schuld. Wenn er sich geweigert hätte, ihren Platz als himmlische Wache der Reiter einzunehmen, wäre sie nicht so wütend geworden. Dann hätte sie nicht gegen ihn und die Reiter intrigiert und niemals mit Pestilence und Luzifer zusammengearbeitet. Was hatten sich die Erzengel nur dabei gedacht, ihn in dieses Amt zu berufen? Ausgerechnet Reaver, der einmal etwas dermaßen Ungeheuerliches getan hatte, dass sie seine gesamte Vergangenheit aus seinem Gedächtnis und dem Gedächtnis jedes existierenden Engels ausgelöscht hatten? Reaver, der mehr Regeln gebrochen hatte, als man zählen konnte, und dem man vor dreißig Jahren erst die Flügel genommen hatte?
Sicher, er hatte sich die Rückgabe seiner Flügel verdient, indem er zusammen mit irgend so einem schwachsinnigen Inkubus die Welt gerettet hatte. Aber schon zu diesem Zeitpunkt, als sie ihn zur Belohnung in seinen Status als Engel zurückversetzt hatte, war Gethel klar gewesen, dass er sich kaum geändert hatte. Er war immer noch derselbe arrogante, aufsässige Idiot, der er immer gewesen war.
Aber dafür, was er ihr angetan hatte, würde er bezahlen müssen. Für das, was er sie gezwungen hatte zu tun. Doch zuerst einmal musste sie Reseph finden.
Sie schloss die Augen, wandte ihr Gesicht himmelwärts und wiederholte einen Beschwörungszauber, den sie auswendig kannte. Das dazugehörige Opfer – einen jungfräulichen menschlichen Mann und eine schwangere menschliche Frau – hatte sie bereits gebracht, auch wenn es sie geschmerzt hatte. Jetzt musste sie nur noch abwarten, bis der Erfüllungsgehilfe ihrer Beschwörung auftauchte.
Als er erschien, gelang es ihr kaum, nicht vor ihm zurückzuweichen.
Vor ihr materialisierte sich eine Kreatur, deren triefendes Fleisch, in dem es vor Maden wimmelte, in Fetzen von seinem Skelett hing. Er ließ die scharfen Zähne hörbar aufeinanderschlagen – ein Laut, der ihre Trommelfelle wie ein Messer durchbohrte.
»Wunderschöner Engel.« Seine Stimme gluckste, als ob er durch Öl hindurch spräche. »Was kann ich dir heute geben?«
»Ich brauche
khnive
und Seelenschänder.«
Die Kreatur zischte. »Seelenschänder befolgen keine Befehle.«
»Diesmal werden sie es tun.« Sie hielt inne, nahm sich einen Moment lang Zeit, um die Skepsis in den schleimigen gelben Augen des Dämons zu genießen. »Ihr Herr und Meister Pestilence befindet sich irgendwo auf der Welt, und sie müssen ihn finden.«
»Lügen«, knurrte die Kreatur. »Pestilence ist tot.«
Gethel nutzte eine Strömung himmlischer Macht, um die Flügel auszubreiten und vom Boden abzuheben und über dem Dämon zu schweben. »Engel lügen nicht, du erbärmlicher Wicht.« Ihre Stimme grollte wie Donner, und der Dämon duckte sich. »Pestilence lebt, gefangen in Resephs Körper, und jeder Seelenschänder in Sheoul muss sich unverzüglich auf die Suche nach ihm machen.« Die
khnive
– grauenhafte, opossumähnliche Geschöpfe – konnten ebenfalls helfen; sie waren ausgezeichnete Spione.
Der Dämon nickte eifrig. »Eine Rettungsaktion.«
»Genau.« Gethel unterbrach ihre Verbindung mit der himmlischen Energiequelle und betete, dass sie
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