Reseph
während dieser Verbindung niemand gespürt hatte, oder wenn doch, dass die Verbindung zumindest zu schwach oder zu kurz gewesen war, um sie aufzuspüren. Um ganz sicher zu sein, musste sie sofort von hier verschwinden. »Fort mit dir«, sagte sie und scheuchte den Dämon mit einer Handbewegung weg. »Überbring die Nachricht dem Rat der Seelenschänder. Ich will, dass Reseph gefunden wird, und wenn sie dazu jeden foltern und töten müssen, der ihm etwas bedeutet, ist es ein Preis, den zu bezahlen ich bereit bin.«
Bezahlen? Zu sehen, wie die starben, die Reseph liebte, wäre ein zusätzliches Geschenk.
4
Jillian ließ sich beim Aufräumen der Küche Zeit, damit Reseph sich wieder beruhigen konnte. Er hatte so traurig und verwirrt gewirkt, und obwohl sie ihn kaum kannte, tat er ihr leid.
Im Wohnzimmer plärrte der Fernseher, und als sie endlich mit der Küche fertig war, hatte Reseph es sich auf ihrer Couch bequem gemacht. Seine Füße lagen auf dem Wohnzimmertisch und Doodle schnurrend auf seinem Schoß. Offenbar hatte er gerade die Bilder an der Wand betrachtet. Die Kunstwerke mit Motiven aus der Natur interessierten ihn kaum, dafür konzentrierte er sich auf die Fotos von ihr, die sie beim Skifahren und Fallschirmspringen zeigten. Sie war mal ziemlich gut darin gewesen, ehe die Dämonen gekommen waren.
Jillian nickte in Richtung Kater. »Er mag dich.«
Sie stand da, unwillig, sich neben Reseph zu setzen, aber die Couch war das einzige Sitzmöbel im Zimmer. Den alten schäbigen Fernsehsessel ihres Vaters hatte sie vor ein paar Monaten in den Keller gestellt. Ihre Mom hatte sich jahrelang über das Ding beschwert, das ihrer Meinung nach nur noch für die örtliche Mülldeponie taugte; und obwohl Jillian ihr zustimmte, konnte sie sich irgendwie nicht von ihm trennen. Noch nicht.
Resephs Hand fuhr in langen, gleichmäßigen Bewegungen über das gefleckte braune Fell des Katers. »Wie heißt er denn?«
»Doodle.«
»
Doodle?
« Er zuckte zusammen. »Kein Wunder, dass er so freundlich ist. Er fleht mich an, ihn Fang oder Chaos oder Styx zu nennen.« Er klopfte auf das leere Sitzpolster neben sich. »Setz dich. Ich beiße nicht.« Er hob die Augenbrauen und grinste sie frech an. »Es sei denn, du stehst auf so was.«
Ihre Wangen brannten, als vor ihrem inneren Auge unwillkürlich Bilder auftauchten, wie er an ihren empfindsamen Stellen knabberte. »Stehst du denn auf so was? Ich meine, glaubst du, du tust es?«
Seine Stimme wurde rauchig. Weich. Höllisch dekadent. »Ich
weiß
es.« Er kraulte Doodle unter dem Kinn. »Siehst du, manche Sachen weiß ich.«
Jetzt brannte ihre ganze Haut wie Feuer und sie ließ sich auf die Couch sinken. Sie achtete darauf, so viel Platz zwischen ihnen zu lassen wie nur möglich, ohne dass es so aussah, als ob sie es darauf abgesehen hätte. Trotzdem wusste er es, und er warf ihr einen amüsierten Blick zu, ehe er seine Aufmerksamkeit auf den Fernseher richtete.
»Was ist denn bloß mit der Welt los?« Er zeigte auf den CNN -Nachrichtensprecher, der über Wiederaufbaumaßnahmen in Sydney sprach. »Was ist denn da in Australien passiert?«
Oh Gott, er wusste nicht einmal mehr
das
? Wie konnte es nur sein, dass sein Gedächtnis leer wie eine blank geputzte Tafel war? War das medizinisch überhaupt möglich?
Sie zog ein Bein unter sich und machte es sich bequem, denn das drohte eine äußerst unangenehme Unterhaltung zu werden. »Was ist denn das Letzte, woran du dich erinnerst?«
Doodle stieß mit dem Kopf gegen Resephs Hand, offensichtlich unzufrieden darüber, dass sein neuer bester Freund aufgehört hatte, ihn zu streicheln. »Ich erinnere mich an gar nichts vor dieser Schneewehe.«
»Okay, und was ist das Letzte, was du noch weißt?«, fragte sie. »Ich meine, weißt du, wer der Präsident ist?«
»Von welchem Land?«
»Den Vereinigten Staaten.«
Er runzelte die Stirn. »Ich habe keine Ahnung.«
»Wer ist denn der letzte Präsident, an den du dich erinnerst?«
»Washington.« Er klang stolz darüber, dass er sich an etwas erinnerte, und sie hasste es, ihn enttäuschen zu müssen.
»An den kannst du dich nicht erinnern«, sagte sie leise. »Der ist seit über zweihundert Jahren tot.«
Reseph legte den Kopf zurück, schloss die Augen und konzentrierte sich. »Ich hab noch andere Namen im Kopf, aber ich kann sie nicht einordnen. Wie Napoleon und Hitler und Azagoth. Es kommt mir vor, als ob ich lauter Puzzleteile im Kopf hätte, aber nicht mehr als zwei zusammenfügen
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