Reseph
meiner Hühner geschnappt.« Mit einem Fluch drehte sie sich zu ihm um. Ihr windzerzaustes Haar peitschte gegen ihre Wangen. Ihr Atem, der in der kalten Luft sichtbar war, stieg wie eine Dampfwolke aus ihrem Mund, als sie auf seine bloßen Füße hinabschaute. »Du gehst sofort ins Haus zurück! Erst wärst du beinahe erfroren, und jetzt spazierst du schon wieder ohne Klamotten hier herum? Was denkst du dir nur dabei?«
Er schnaubte. »Ich habe mehr an als an dem Tag, an dem du mich gefunden hast. Außerdem –« Er verstummte, als eine Präsenz seine Haut prickeln ließ. Etwas huschte vorbei, das er allerdings nur aus den Augenwinkeln erspähte; ein dunkler Schatten, der mit den Bäumen verschmolz, dort, wo die Marderspuren verschwanden.
Ein hässliches Grollen ertönte, das aus allen Richtungen zugleich zu kommen schien – der Lärm eines Felsens, der einen Berg hinunterrollte. Ohne nachzudenken rannte Reseph über den Hof. Er war vollkommen konzentriert, sein Herz hämmerte, sein Körper war hart und bereit für den Kampf.
Und für Sex, wie ihm während des Rennens bewusst wurde.
Heilige Scheiße, er war so hart, als ob er gerade eine halbe Stunde mit Vorspiel verbracht hätte und jetzt kurz davor stände, tief in eine heiße, willige Frau zu versinken.
Gott, was für ein kranker Psycho war er denn, dass ihn die Aussicht auf einen Kampf geil machte?
»Reseph!«
Jillians Stimme ließ ihn erbeben und schürte das Feuer in seinen Adern, aber er konnte nicht zu ihr zurück, nicht jetzt, wo Gewalt und sexuelle Begierden gleich unter seiner Haut miteinander rangen.
Der metallische Geruch von Blut traf ihn wie eine Mauer, und mit einem Schlag siegte das Verlangen nach Gewalt über das Verlangen nach Sex.
Da. Eine Bewegung. Mit einem barbarischen Knurren riss er einen Ast von einem Baumstumpf und packte die Kreatur mit den Knopfaugen, die sich dahinter versteckt hatte, im Genick. Der Dämon zischte, seine scharfen Zähne schnappten nach ihm, sein Fell war mit Blut bespritzt.
»Du kleiner –« Reseph starrte das Wesen an. »Marder.« Kein Dämon. Der Marder starrte zurück; Furcht schimmerte in seinen dunklen Augen.
Kleine Überreaktion?
»Reseph!«
»Scheiße.« Er ließ das Tier in den Schnee fallen und sah ihm hinterher, wie es davonhuschte. Er fragte sich, warum zur Hölle er das Gefühl gehabt hatte, in Gefahr zu sein.
Als er den Weg zurücklief, den er gekommen war, fühlte er sich wie ein Idiot. Auf seiner Jagd nach dem Marder war er fast einen Kilometer weit gerannt, und wofür? Jillian würde ihn für verrückt halten. Und damit könnte sie sogar recht haben.
Wenigstens war diese unerträgliche Lust nicht mehr so schlimm. Es gab wohl nichts Besseres als eine ordentliche Blamage, um die Luft aus einem Schwanz zu lassen.
Sie stand am Waldrand. Ihre Miene sprang von Sorge auf Ärger um, als er durch die Bäume hindurch hinaustrat. »Was zum Teufel sollte das denn? Warum bist du so davongerannt? Du hast mir eine Heidenangst eingejagt.«
Seine Wangen wurden heiß. »Also, ja, ich … ich hab da was gesehen. Tut mir leid.«
»Was war es denn?«
Vermutlich war es keine gute Idee, wenn er zugab, dass er geglaubt hatte, einen Dämon zu jagen. »Ein Tier. Wie sich herausstellte, war es der Marder.«
»Du hast den Marder eingeholt?« Ihr Blick wanderte zu seinen Händen, die mit Blut beschmiert waren. »Du hast ihn getötet?«
Er hockte sich hin und wischte die Hände im Schnee ab. »Ich hab ihn laufen lassen. Das Blut in seinem Fell war wahrscheinlich von dem Huhn.«
»Du hast ihn laufen lassen? Dir ist aber schon klar, dass er meine Hühner umbringt.«
Reseph verstand Jillians Ärger, aber er hatte Mitleid mit dem Tierchen gehabt. Es hatte in der Falle gesessen und schreckliche Angst gehabt, und irgendwo in seinem Inneren verstand Reseph das noch sehr viel besser. »Er versucht auch nur zu überleben.«
Sie schüttelte den Kopf. »Reseph, du kannst nicht einfach so in den Wald rennen. Vor allem nicht ohne Schuhe.«
»Schuhe werden überbewertet.« Er machte sich auf den Weg in die Scheune, ohne ihre Flüche zu beachten. Wenn sie wollte, dass man ihr Geschimpfe ernst nahm, musste sie dringend an ihrem Vokabular arbeiten. »Was hast du denn hier drin?«
»Reseph!« Jillian schnaubte vor Wut. »Ich mein’s ernst.«
»Ich auch. Ich will wissen, was du in der Scheune aufbewahrst.« Es war – relativ – warm. Zwei einzelne Glühbirnen erleuchteten das in sechs Abteilungen unterteilte Gebäude. Als
Weitere Kostenlose Bücher