Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
Folterkammer würde schon ihr Albträume bescheren, ein Kind durfte man diesem Szenario tunlichst nicht aussetzen –
„Keine Bewegung, kleines Mädchen, oder ich erschieße dich auf der Stelle!“
Claire erstarrte. Jeder Muskel in ihrem Körper erstarrte, als Irons hinter ihr zu lachen begann – hinter der Tür, wo sie vergessen hatte, nachzuschauen.
O mein Gott, o Gott, o Sherry, es tut mir so leid …
Irons tiefes Glucksen steigerte sich ins lautstarke hämische Gelächter eines Irren, und Claire begriff, dass sie sterben würde.
ACHTZEHN
Leon versuchte, nicht zu tief Luft zu holen, als er das untere Ende der Metallleiter erreichte, sich umdrehte und mit der Magnum ins dichte Dunkel zielte. Trübes Wasser schwappte über seine Stiefel, und als sich seine Augen an das schwache Licht gewöhnt hatten, entdeckte er die Quelle des furchtbaren Gestanks.
Teile davon jedenfalls …
Der unterirdische Tunnel, der sich vor ihm erstreckte, war mit Leichenteilen übersät, menschlichen Leichen, die in Stücke gerissen worden waren. Glieder, Köpfe und Torsos lagen wie wahllos hingestreut in dem steinernen Gang, plätschernd umspült von den wenigen Zentimetern dunklen Wassers, die den Boden bedeckten.
„Leon? Wie sieht’s aus?“ Adas Stimme drang aus dem Lichtkreis über der Leiter herab und echote hallend um ihn her. Leon antwortete nicht, sein schockierter Blick war auf die schreckliche Szenerie fixiert, sein Gehirn versuchte, die einzelnen Teile aufzuaddieren, um auf eine Gesamtzahl zu kommen.
Wie viele? Wie viele Menschen waren das einmal?
Zu viele, um sie zu zählen. Er sah einen Kopf ohne Gesicht, vom langen Haar wie von einer Wolke umflort. Den enthaupteten Rumpf einer dicken Frau, eine Brust schaukelte auf der gekräuselten Schwärze. Einen Arm, der in die Fetzen einer Polizeiuniform gehüllt war. Ein nacktes Bein, am Fuß noch ein Turnschuh. Eine gekrümmte Hand, die Finger glitschig und weiß.
Ein Dutzend? Zwanzig?
„Leon?“ Adas Ton hatte sich verschärft.
„Es – es scheint alles okay zu sein“, rief er, um einen festen Klang seiner Stimme bemüht. „Es bewegt sich nichts.“
„Ich komme runter.“
Er trat von der Leiter weg, um ihr Platz zu machen, und erinnerte sich an etwas, das sie zuvor gesagt hatte, etwas über Leichen, die heruntergeworfen worden waren …
Ada trat von der untersten Sprosse in den finsteren Tunnel, ihre Füße platschten in das trübe Wasser. Leons Augen hatten sich hinreichend auf die Lichtverhältnisse eingestellt, sodass er den angeekelten Ausdruck über ihr Gesicht huschen sehen konnte – Ekel und etwas wie Traurigkeit.
„In der Garage gab es einen Angriff“, sagte sie leise. „Vierzehn oder fünfzehn Menschen kamen dabei um … “
Sie verstummte, runzelte die Stirn und trat einen Schritt an ihm vorbei, um einen genaueren Blick auf die abgetrennten und verstümmelten Überreste zu werfen. Als sie weitersprach, klang sie besorgt.
„Ich habe den Angriff nicht gesehen, aber ich glaube nicht, dass die Opfer derart verstümmelt wurden.“
Sie schaute nach oben, ließ den Blick über die Tunneldecke streifen und umfasste ihre Neunmillimeter fester. Leon folgte ihrem Blick, sah aber nur algenbewachsenen Stein. Ada schüttelte den Kopf und schaute wieder hinab auf die träge plätschernde See aus zerrissenen Leibern.
„Das waren nicht die – Zombies. Etwas hat sich an diesen Menschen vergangen, nachdem sie tot waren.“
Leon spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken rann. Das war ungefähr das Letzte, was er hören wollte, während er in dieser feuchten, stinkenden Finsternis stand, umgeben von Leichenteilen.
„Dann ist es also nicht sicher hier unten. Wir sollten umkehren und – “
Ada ging los, watete zwischen den ineinander verhedderten Gliedmaßen hindurch, und das schwappende Geräusch ihrer vorsichtigen Bewegungen klang überlaut in der ansonsten herrschenden Stille.
Verdammt, ignoriert sie eigentlich jeden, oder macht sie das nur mit mir so?
Darauf achtend, wo er hintrat, folgte Leon ihr und streckte die Hand aus, um sie an der Schulter zu fassen. „Lass mich wenigstens vorausgehen, okay?“
„Schön“, sagte sie, wobei sie sich fast, aber nicht ganz verärgert anhörte. „Geh voraus.“
Er trat vor sie, und sie gingen weiter. Leon versuchte, seine Aufmerksamkeit zwischen der vor ihm liegenden Dunkelheit und den glitschigen Fleischfetzen und Knochen zu seinen Füßen aufzuteilen. Direkt vor ihm machte der Tunnel eine
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