Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
Rechtsbiegung, und die ölige Oberfläche des Wassers reflektierte etwas Licht. Hier lagen auch weniger Leichenteile herum.
Leon hielt inne, um die Remington von der Schulter zu nehmen und zu überprüfen, ob sich eine Patrone in der Kammer befand. Was immer sich an den Toten vergangen hatte, schien sich nicht in der Nähe aufzuhalten, aber er wollte nicht unvorbereitet sein für den Fall, dass es zurückkam.
Ada wartete, ohne etwas zu sagen, doch er konnte ihre Ungeduld spüren – nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob hinter ihrer Geschichte mehr steckte, als sie ihm erzählt hatte. Er fürchtete sich, außerdem fror er, er war müde, und er hatte Angst um Claire, die vielleicht immer noch im Revier umherstreifte – er wusste nicht einmal, ob sie noch am Leben war; aber er hatte Ada nicht ruhigen Gewissens allein einer potentiellen Gefahr entgegenspazieren lassen können.
Ada hingegen … sie war ruhig und beherrscht wie ein altgedienter Soldat, ließ sich nichts anmerken außer einer Art gereiztem Eifer, weiterzumachen – und wenn sie seine Gegenwart überhaupt begrüßte, gab sie sich alle Mühe, dies nicht zu zeigen. Es war nicht so, dass er ihre Dankbarkeit brauchte oder wollte …
… aber wären die meisten Menschen nicht froh , einen Cop dabei zu haben? Auch wenn es sich um ein Greenhorn wie mich handelt?
Vielleicht nicht, und es war weder die Zeit noch der Ort, um Fragen zu stellen. Leon rief sich innerlich zur Räson und setzte sich wieder in Bewegung, trat vorsichtig über ein zerkautes Stück Fleisch hinweg, das er nicht zu identifizieren vermochte.
„Halt!“, flüsterte Ada scharf. „Horch!“
Leon spannte sich, die Remington in der einen, die Magnum in der anderen Hand. Er legte den Kopf schief, um zu lauschen, aber er vernahm nur ein fernes, hallendes Tropfen von Wasser –
– und ein leises Pochen. Ein schnelles, aber zielloses Geräusch, wie gepolsterte Hämmer auf einer gepolsterten Oberfläche. Was es auch sein mochte, es kam näher, kam auf sie zu, von dort, wo der Tunnel vor ihnen nach rechts abbog.
Warum platscht es nicht, warum hören wir kein Wasser – ?
Leon wich einen Schritt zurück, hob beide Waffen etwas an, entsann sich, wie Ada zuvor zur Decke hochgeschaut hatte –
– und sah es, sah es und spürte, wie sein Herz mitten im Schlag aussetzte. Eine Spinne von der Größe eines Dobermanns jagte auf halber Höhe der Innenwand über das feuchte Gestein, und ihre borstigen, haarigen Beine verursachten klopfende Geräusche –
Unmöglich!
– und dann wurde rechts neben ihm eine Folge ohrenbetäubender Explosionen laut.
Bamm-bamm-bamm-bamm!
Das Mündungsfeuer von Adas Beretta tauchte den höllischen Tunnel in stroboskopartiges Licht. Die dröhnenden Echos rollten durchs Dunkel, während der riesenhafte, unmögliche Arachnide von der Wand ins tintige Wasser fiel. Das Wesen kroch auf sie zu, war verletzt, zog zwei seiner vielen Beine nach, dunkle Flüssigkeiten rannen aus seinem rundlichen, grotesken Leib. Es schleppte sich über einen abgetrennten Kopf, und der verstümmelte Schädel rollte unter dem geschwollenen, pulsierenden Leib wieder hervor. Leon konnte die glänzenden schwarzen Augen des Untiers sehen, jedes so groß wie ein Tischtennisball, und er drückte den Abzug der Remington, fühlte nicht einmal den Rückstoß des donnernden Schusses, war ganz und gar auf diesen unfassbaren Arachniden fokussiert.
Die Kugel traf voll, zerriss die alienhafte Fratze in tausend feuchte Fetzen. Die Spinne vollführte einen Rückwärtssalto, schlitterte in aufspritzendem Wasser nach hinten, die dicken Beine zitterten und krümmten sich über dem pelzigen Leib.
Leons Ohren klingelten, sein Herz hämmerte. Er lud eine weitere Patrone in die Kammer. Sein Verstand wollte ihm einreden, dass er nicht gerade eine Spinne von dieser Größe umgeblasen hatte – es war physikalisch unmöglich, es konnte nicht sein, weil so ein Wesen unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrechen würde, aber …
Ada drängte sich an ihm vorbei, rannte voraus, rief ihm zu: „Komm schon, es könnten noch mehr von der Sorte aufkreuzen!“
Leon folgte ihr. Adas verwegenes Verhalten zwang ihn, sein Entsetzen zurückzustellen. Er sprintete durch die Dunkelheit und sprang über die sanft schaukelnden Fleischbrocken hinweg, vorbei an der toten Spinne, die es in jener Realität, die er vor Raccoon gekannt hatte, nie gegeben hätte.
„Lass deine Waffe fallen“, befahl Irons, und die junge Frau gehorchte nach
Weitere Kostenlose Bücher