Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
von ihr, als sie da in der Mitte des Raumes stand und sich langsam umdrehte. Ihre Augen hatten sich endlich ganz auf das schwache Licht eingestellt – und sie sah die Umrisse einer Leiter an der gegenüberliegenden Wand. Sie hatte noch immer Angst, gar keine Frage, aber der Anblick der schemenhaften Sprossen bedeutete, dass sie einen Weg hinaus gefunden hatte. Sherry paddelte auf die Leiter zu, stolz darauf, wie gut sie sich hielt.
Kein Schreien, kein Weinen. Genau wie Claire gesagt hat. Ich bin stark.
Sie erreichte die Leiter und hob ihre Knie zur untersten Sprosse hoch, die ein paar Zentimeter über der Wasseroberfläche lag. Sie zog die Füße nach, dann kletterte sie nach oben. Die glitschigen Metallstangen unter ihren Händen ließen sie das Gesicht verziehen. Die Leiter schien kein Ende zu nehmen, und als Sherry einen Blick nach unten riskierte, um zu sehen, wie weit sie schon gekommen war, konnte sie nur einen winzigen, schimmernden Fleck ausmachen, wo das Licht direkt auf die bewegte Wasseroberfläche fiel. Sie konnte auch die Quelle des Lichtes sehen – ein schmaler Schlitz in der Decke, nicht weit über ihr.
Fast oben. Und wenn ich falle, werde ich mir nicht wehtun. Es gibt nichts, wovor ich Angst haben müsste.
Sherry schluckte schwer, wünschte sich, dass dieser Gedanke der Wahrheit entsprach, und schaute wieder nach oben.
Noch ein paar Sprossen, und als sie nach der nächsten fasste, berührte ihre Hand eine unebene Metalldecke. Sie hatte das Gefühl, es geschafft zu haben, und drückte mit einer Hand dagegen –
– aber das Metall bewegte sich nicht. Kein bisschen .
„Scheiße“, flüsterte Sherry, aber es klang nicht so verärgert, wie sie gehofft hatte; das Wort klang klein und einsam, beinahe wie ein Flehen.
Sie hakte einen Ellbogen um die Leiterstufe, an der sie sich festhielt, berührte ihren Glücksbringer, und versuchte es noch einmal. Diesmal drückte sie richtig fest. Unter Einsatz all ihrer Kräfte meinte sie zu spüren, wie die Decke nachgab, ein wenig nur – und nicht annähernd genug. Sie ließ die Hand sinken, fluchte diesmal im Stillen. Sie saß hier fest.
Minutenlang bewegte sie sich nicht. Sie wollte nicht wieder hinunter ins Wasser, wollte nicht glauben, dass sie wirklich festsaß – doch ihre Arme wurden müde. Sie wollte immer noch nicht springen. Schließlich stieg sie wieder hinunter, viel langsamer, als sie heraufgeklettert war. Jeder Schritt nach unten war wie das Eingeständnis einer Niederlage.
Sie hatte etwa ein Drittel der Strecke zurückgelegt, als sie über sich Schritte hörte – ein leichtes Pochen erst, eher ein Vibrieren als sonst etwas, doch dann spaltete sich das Geräusch rasch in einzelne Schritte auf, die lauter wurden, näher kamen – und noch lauter wurden, sich der Decke der Grube näherten, in der Sherry zu sich gekommen war.
Einen Augenblick lang erwog sie, die Schritte nicht zu beachten, dann krabbelte sie doch die Leiter hoch, und beschloss, das Risiko einzugehen. Es war es wert. Es mochte nicht Claire sein, vielleicht nicht einmal irgendjemand, der ihr wohlgesinnt war – aber es konnte ihre einzige Chance sein, hier herauszukommen.
Sie fing schon an zu rufen, noch ehe sie wieder das obere Ende der Leiter erreicht hatte. „Hallo! Hallo, können Sie mich hören? Hallo – hallo!“
Die Schritte schienen innezuhalten, und als Sherry wieder unter der Decke anlangte, immer noch rufend, schlug sie etliche Male mit der Faust gegen das Metall.
„Hallo, hallo, hallo!“
Ein weiterer Hieb mit ihrer schmerzenden Hand – und dann schlug sie in die Luft, und blendendes Licht traf ihr Gesicht.
„Sherry! O mein Gott, Schätzchen, ich bin ja so froh, dass du in Ordnung bist!“
Claire, es war Claire. Sherry konnte sie zwar nicht sehen, aber allein der Klang ihrer Stimme überwältigte sie fast vor Freude. Starke, warme Hände halfen ihr hinauf, warme, feuchte Arme schlossen sich fest um sie. Sherry blinzelte und verdrehte die Augen und war allmählich imstande, durch die strahlend weiße Lichtfülle die Umrisse eines weitläufigen Raumes auszumachen.
„Woher wusstest du, dass ich es bin?“, fragte Claire, ohne sie loszulassen.
„Wusste ich nicht. Aber ich kam aus eigener Kraft nicht raus, und da hörte ich Schritte … “
Sherry schaute sich in dem großen Raum um, in den Claire sie gezogen hatte, und empfand lähmendes Staunen, dass ihre Freundin sie überhaupt gehört hatte. Der Raum war gewaltig, wurde von einer Reihe schmaler
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