Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
den Gräbern unserer Widersacher zu tanzen und Champagner aus den Schädeln ihrer Kinder zu trinken.
Er stellte sich vor, mit Alexia zu tanzen, sie fest in den Armen zu halten und sich mit ihr zu der dynamischen Musik – den qualvollen Schreien ihrer Feinde – zu drehen … Es würde eine Wonne sein. Den Blick seiner Zwillingsschwester mit dem seinen vereint, würden sie das Bewusstsein ihrer Überlegenheit gegenüber den gewöhnlichen Menschen teilen, gegenüber der Dummheit derjenigen, die danach trachteten, sie zu vernichten …
Die Frage war: Wer steckte hinter dem Angriff? Umbrella hatte viele Feinde, angefangen bei legitimen konkurrierenden Pharma-Unternehmen und privaten Aktionären – der Verlust von Raccoon City hatte sich verheerend auf den Aktienmarkt ausgewirkt – , bis hin zu der Hand voll privater Konkurrenten von White Umbrella, ihrer geheimen Forschungsabteilung für Biowaffen. Umbrella Pharmaceutical, das geistige Kind von Lord Oswell Spencer und Alfreds Großvater Edward Ashford, war außerordentlich lukrativ, ein industrielles Imperium … doch die wahre Macht fußte auf Umbrellas heimlichen Aktivitäten, den Unternehmungen, die zu groß geworden waren, als dass sie noch völlig unbemerkt bleiben konnten.
Und es gab überall Spione.
Alfred ballte frustriert die Hände zu Fäusten. Sein ganzer Körper glich einem Strom führenden Draht aus wütender Anspannung – und plötzlich wusste er, dass Alexia hinter ihm stand. Ein Hauch von Gardenien lag in der Luft. Er war so auf seinen inneren Aufruhr fixiert, dass er gar nicht wahrgenommen hatte, wie sie zu ihm getreten war.
„Du darfst nicht verzweifeln, mein Bruder“, sagte sie sanft und stieg weiter herab, um neben ihm Platz zu nehmen. „Wir werden die Oberhand gewinnen – das haben wir immer getan.“
Sie kannte ihn so gut. Als sie vor all den Jahren Rockfort verlassen hatte, war er so einsam gewesen, hatte er solche Angst gehabt, dass etwas von ihrer besonderen Verbindung verloren gehen könnte … aber das Gegenteil war der Fall gewesen, sie standen einander jetzt näher als jemals zuvor. Sie sprachen nie über ihre vorübergehende Trennung und über die Dinge, die nach den Experimenten in der Antarktis-Anlage geschehen waren. Sie waren beide so froh, wieder zusammen zu sein, dass sie nichts thematisierten, was diese Freude hätte trüben können. Sie empfand, was das anging, genau wie er, dessen war er sich sicher.
Sekundenlang blickte er sie an. Ihre Anmut und Gegenwart beruhigten ihn, und wie stets verzückte ihn die Tiefe ihrer Schönheit. Hätte er sie oben im Schlafzimmer nicht schluchzen gehört, so hätte er ihr jetzt nicht angesehen, dass sie auch nur eine Träne vergossen hatte. Ihr porzellanartige Haut strahlte, ihre himmelblauen Augen waren klar und voller Glanz. Selbst heute, an diesem finstersten aller Tage, bereitete ihm ihr bloßer Anblick eine solche Freude …
„Was würde ich nur ohne dich tun?“, fragte Alfred leise und wusste genau, dass die Antwort zu schmerzhaft war, um sie auch nur zu denken . Er war in ihrer Abwesenheit vor Einsamkeit schier wahnsinnig geworden, und bisweilen litt er immer noch unter merkwürdigen Anfällen, Alpträumen, in denen er immer noch alleine war und Alexia ihn immer noch verlassen hatte. Dies war einer der Gründe, weshalb er sie bat, ihre streng abgesicherte Privatresidenz, die sich hinter der Besuchervilla befand, nie zu verlassen. Es machte ihr nichts aus; sie hatte ihre Beschäftigung – ihre Studien – und war sich bewusst, dass sie zu wichtig war, zu bezaubernd, um sich von irgendjemand anderem bewundern lassen zu dürfen. Die Zuneigung ihres Bruders genügte ihr, und sie vertraute ihm als ihrer einzigen Verbindung zur Außenwelt.
Wenn ich nur immerfort bei ihr bleiben könnte, nur wir zwei, verborgen … Aber nein, er war ein Ashford und trug damit Verantwortung für den Anteil der Ashfords an Umbrella sowie für die gesamte Rockfort-Einrichtung. Als ihr im Grunde inkompetenter Vater Alexander Ashford vor über fünfzehn Jahren verschollen war, hatte der junge Alfred seinen Platz eingenommen. Die Drahtzieher hinter Umbrellas Biowaffenforschung hatten versucht, ihn außen vor zu halten, aber nur, weil sie ihn fürchteten, weil die natürliche Überlegenheit seines Familiennamens sie einschüchterte. Jetzt schickten sie ihm regelmäßig Berichte, erklärten ihm respektvoll die Entscheidungen, die sie in seinem Namen trafen, und ließen ihn damit wissen, dass sie sich
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