Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
Freund oder nicht, er würde die Unbekannte auf keinen Fall bitten, nicht mehr zu schießen – damit hätte er sich nur noch mehr zum Idioten gemacht.
Und es ist ein Mädchen … ein hübsches vielleicht …
Er gab sich alle Mühe, den Gedanken zu ignorieren; es brachte nichts, wenn er sich Hoffnungen machte. Er stellte sich lieber vor, sie sei 98 Jahre alt, kahlköpfig und rauche Zigarren … aber selbst wenn dem nicht so war, selbst wenn sie sich als total heißer Feger herausstellte, wollte er deswegen keine Verantwortung für das Leben eines anderen übernehmen müssen – verdammt und zugenäht. Er war jetzt frei. Einen Klotz am Bein zu haben, der auf ihn zählte, war fast so schlimm, wie sich auf andere verlassen zu müssen …
Der Gedanke bereitete ihm Unbehagen, deshalb schob er ihn weit von sich. Wie auch immer, die Umstände waren hier, wo ein Haufen verseuchter Monster Amok lief und hinter jeder Ecke der Tod lauern konnte, alles andere als romantisch.
Zwei Stufen auf einmal nehmend stieg Steve die Treppe zum Hof hinunter. Als er aus dem Turm trat, um sich dem Mädchen zu zeigen, gewöhnten sich seine Augen allmählich an die Dunkelheit. Das Mädchen stand in der Mitte des Hofes, eine Waffe in der Hand … und als er näher kam, musste er sich alle Mühe geben, um die Kleine nicht anzuglotzen.
Sie war mit Schlamm beschmiert und durchnässt, aber ansonsten so ziemlich das schönste Mädchen, dass er je gesehen hatte. Ihr Gesicht war rein wie das eines Models, große Augen und feine, ebenmäßige Züge, dazu rötliche Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Drei, vier Zentimeter kleiner als er war sie und etwa im gleichen Alter, schätzte er – er würde in ein paar Monaten achtzehn werden, und sie konnte nicht viel älter sein. Sie trug Jeans, Stiefel und eine ärmellose, rosafarbene Weste über einem engen, schwarzen T-Shirt, das ihren flachen Bauch frei ließ. Das gesamte Outfit unterstrich ihre sehnige, sportliche Figur … und obwohl sie müde und erschöpft aussah, funkelten ihre graublauen Augen regelrecht.
Sag was Cooles und bleib cool, was auch immer geschieht.
Steve wollte ihr sagen, dass es ihm Leid tat, auf sie geschossen zu haben; wollte ihr erklären, wer er war und was während des Angriffs passiert war; wollte etwas Höfliches, etwas Weltmännisches und Interessantes sagen, doch stattdessen …
„Du bist kein Zombie“, platzte es aus ihm heraus, und er krümmte sich innerlich. Genial, echt genial.
„Ach was?“, sagte sie milde, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass ihre Waffe auf ihn gerichtet war. Sie hielt sie tief, aber sie zielte zweifellos auf ihn. Obwohl er erstarrte, trat sie einen Schritt zurück und hob das Schießeisen, behielt ihn genau im Auge, den Finger um den Abzug gelegt und die Mündung nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. „Und wer zum Teufel bist du?“
Der Junge lächelte. Wenn er nervös war, ließ er es sich nicht anmerken. Claire nahm ihren Finger nicht vom Drücker, obwohl sie schon halbwegs davon überzeugt war, dass er keine Gefahr für sie darstellte. Sie hatte zwar den Scheinwerfer zerschossen, dennoch hätte er mit Leichtigkeit den Hof unter Beschuss nehmen und sie erledigen können.
„Entspann dich, Schönheit“, sagte er immer noch lächelnd. „Ich heiße Steve Burnside, ich bin – ich war ein Gefangener hier.“
Schönheit? Meine Güte … Nichts ging ihr mehr gegen den Strich, als gönnerhaft behandelt zu werden. Andererseits war er offensichtlich jünger als sie, was wahrscheinlich bedeutete, dass er lediglich versuchte, seine männliche Coolness zu demonstrieren. Ihrer Erfahrung nach gab es allerdings kaum etwas, das abschreckender wirkte als jemand, der versuchte, etwas zu sein, was er nicht war.
Er musterte sie unverhohlen von Kopf bis Fuß, und sie trat noch einen Schritt weiter zurück, die Waffe unverwandt auf ihn gerichtet. Claire würde keinerlei Risiko eingehen. Bei der Waffe handelte es sich um eine M93R, eine italienische Neunmillimeter. Es war eine ausgezeichnete Handfeuerwaffe und offenbar Standardausrüstung der Gefängniswärter gewesen. Chris hatte auch so eine. Claire hatte die Pistole gefunden, nachdem sie in Deckung gegangen war. Sie hatte neben den toten, ausgestreckten Fingern eines uniformierten Mannes gelegen … und wenn sie damit aus dieser Entfernung auf den jungen Mr. Burnside schoss, würde sich der Großteil seines hübschen Gesichts über den Boden verteilen. Er sah aus wie ein
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