Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
geschlossenen Kreis. Es gab ein schweres, mahlendes Geräusch, als die beiden Flügel des Tores aufglitten und den Blick auf einen schattigen Weg freigaben, der von üppigen Hecken gesäumt wurde.
Von Jills Standort aus sah es nicht allzu schlimm aus. Sie trat auf den stillen Pfad und öffnete ihre Sinne. Es war kühl und dunkel. Eine leichte Brise kündete von baldigem Regen und war neben Jill das Einzige, das sich bewegte. Sie ließ die Bäume rascheln, strich über Blätter hinweg und kühlte den Schweiß auf Jills Gesicht und Armen.
Jill konnte das ferne Heulen eines Virus-Zombies hören und bemerkte die fahlen Kleckse frühen Mondlichts auf den Wegsteinen. Aufmerksam, aber ohne eine unmittelbare Gefahr zu spüren, drang sie weiter vor. Ihre Gedanken begannen sich um Carlos Oliveira zu drehen.
Es stimmte wohl, dass er zu Umbrellas Hilfskräften gehörte und wahrscheinlich nicht wusste, was die Firma wirklich im Schilde führte – aber er verheimlichte auch etwas. Er war kein so guter Lügner, wie er glaubte, und seine offensichtliche Bereitschaft zu lügen verhieß nichts Gutes.
Andererseits wirkte er keineswegs verschlagen, ein Lügner vielleicht, der es gut meinte – oder zumindest einer, der nichts Böses im Schilde führte. Vermutlich war er einfach nur vorsichtig und verhielt sich damit genau wie Jill selbst. Wie auch immer, sie hatte keine Zeit für langwierige Interpretationsversuche, also würde sie auf ihren ersten Eindruck vertrauen: Er war einer von den Guten. Ob ihr das nun half oder nicht, war eine andere Geschichte, aber im Moment war sie bereit, sich mit jedem Verbündeten zu begnügen, der nicht vorhatte, sie umzubringen.
Aber sollte ich mich überhaupt mit jemandem zusammentun? Was, wenn er Nemesis in die Quere kommt und …
Wie auf Stichwort hörte sie das Geräusch, ein Zufall, der irreal schien, fast wie ein mörderischer Witz.
„Sstaarrss … !“
Wenn man vom Teufel spricht. Scheiße, wo steckt das Ding? Jill befand sich fast in der Mitte des kleinen Parks, wo sich drei Wege kreuzten, und das Geräusch kam von irgendwo vor ihr … oder war es hinter ihr? Die Akustik war merkwürdig. Der Bereich vor ihr ließ den leisen, zischenden Ruf klingen, als käme er von überallher. Sie drehte sich um. Ihr Blick schweifte suchend umher, aber der Pfad hinter ihr und jene beiden, die von der offenen Fläche wegführten, verschwanden im Dunkel.
Wohin … ? Sie trat ein Stück weit aus ihrer Deckung hervor und verschaffte sich damit mehr Fluchtmöglichkeiten und Bewegungsraum, für den Fall, dass sie es brauchte.
Ein fester, schwerer Schritt. Ein weiterer. Jill neigte den Kopf. Links vor ihr: der Weg, der zur Straßenbahn führte. Außerdem: sich verdichtende Dunkelheit, unmittelbar außerhalb ihres Blickfelds.
Geh zurück, zur Zeitungsredaktion oder zum Revier … nein, ich kann ihm unmöglich davonlaufen. Aber da ist die Tankstelle, sie hat einen Lock-down-Schalter aus Metall, und es gibt dort einen Haufen Autos, bessere Versteckmöglichkeiten …
Nach vorne und nach rechts. Ein einfacher Plan war besser als gar keiner, und sie hatte keine Zeit mehr, ihre Möglichkeiten noch weiter abzuwägen.
Jill startete durch. Das leise Geräusch ihrer Stiefel verlor sich in einem plötzlichen Aufbranden von Bewegung, anschwellendem Geheul und den harten Tritten abnormer Füße. Jill war sich ihrer selbst absolut bewusst, der Kontraktion ihrer Muskeln, der Laute ihres Herzens und ihrer Lungen, während sie gleichsam über die Steine hinwegflog. Binnen weniger Augenblicke war sie bei dem kleinen Tor, das weiter nach Norden führte und hinter dem ein Gebäudeblock mit verlassenen Autos lag, eine Tankstelle mit Reparaturwerkstatt, ganz in der Nähe von …
Sie konnte sich nicht erinnern. Wenn die Straße frei war, konnte sie das städtische Industriegebiet durchqueren und darauf hoffen, nicht auf irgendwelche Zombie-Horden zu stoßen. Aber wenn Blockaden errichtet worden waren, war sie angeschmiert.
Es ist sowieso zu spät.
Sie ließ ihren durchtrainierten Körper das Denken und Handeln für sich übernehmen, schlüpfte durch das Tor und rannte dann geduckt weiter, in die vermeintliche Sicherheit eines Labyrinths aus ineinander verkeilten Autos und Lastwagen. Sie konnte spüren, wie das Monster kam. Sie tauchte in die Schatten ein und erlaubte sich, in sich ein instinkthaftes Verständnis für ihren Part bei dieser Jagd zu finden. Sie war die Beute – sie musste so scheu und sensibel für alles
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