Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
und als wünschenswert«, sagt die Psychologin. Aber wenn Menschen sich ihr nach dem Unglück empfundenes Glück nur vorgaukeln, kann das eine echte Bewältigung des Traumas verhindern. Dann kann das posttraumatische Wachstum mit viel Leid verbunden sein. Wegen seiner zwei Gesichter sprechen Maercker und Zöllner auch vom »Januskopf-Modell der posttraumatischen Reifung«.
Hinweise darauf ergab vor wenigen Jahren eine Studie der beiden Psychologen: Darin haben Zöllner und Maercker gemeinsam mit Wissenschaftlern der TU Dresden mehr als hundert Personen untersucht, die Opfer schwerer, zum Teil lebensbedrohlicher Autounfälle geworden waren. Manche von ihnen hatten in der Folge eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickelt. Sie litten also unter Alpträumen und hatten das Geschehene noch nicht so verarbeitet, dass sie unbelastet davon ihr weiteres Leben gestalten konnten. Immer wiedererlebten sie das Unglück ungewollt neu, zeigten dabei starke emotionale und körperliche Reaktionen.
Dass sich einem Menschen Bilder einer gerade erlebten Situation aufdrängen, die er eigentlich lieber loswerden würde, das kennt jeder. Aber im Allgemeinen sind solche Bilder nach ein bis zwei Tagen Vergangenheit. Nicht so bei der PTBS. Da gibt es diese Flash-backs über Monate. »Die Bilder sind so anhaltend und furchtbar, dass die Betroffenen auf allen möglichen Wegen versuchen, das Auftreten der Bilder zu vermeiden«, sagt Zöllner. Ihr Vermeidungsverhalten manifestiert aber die Störung und erschwert das Leben.
Als sie die Unfallopfer untersuchten, gingen Zöllner und Maercker ursprünglich davon aus, dass sie einen Zusammenhang zwischen dem posttraumatischen Wachstum und dem Auftreten einer PTBS bei ihnen entdecken würden. Aber erstaunlicherweise trat in ihrer Studie eine PTBS keineswegs seltener bei solchen Menschen auf, die von sich berichteten, an dem Unfall gewachsen zu sein. Unterschiede zeigten sich jedoch, wenn die Psychologen genauer hinschauten und nach speziellen Aspekten des posttraumatischen Wachstums fragten.
So waren Menschen mit einer PTBS tendenziell stärker davon überzeugt, spirituell gewachsen zu sein und dem Leben nun eine höhere Wertschätzung entgegenzubringen. Dagegen hielten Menschen, die keine PTBS entwickelt hatten, nach dem Unfall ihre Persönlichkeitsstärke für größer.
»Einen Zuwachs an persönlicher Stärke kann man sich nicht so leicht einreden wie Spiritualität und eine erhöhte Wertschätzung des Lebens«, kommentiert Zöllner das. Sie ist der Ansicht, dass Menschen, die von neu gefundener Spiritualität und einer höheren Wertschätzung des Lebens berichten, tendenziell stärker der Illusion des posttraumatischen Wachstums erliegen, in Wirklichkeit aber stark erschüttert sind. »Wer sehr verzweifelt ist, bildet sich das Wachstum eher ein«, so Zöllner.
Unfallopfern, die eine PTBS entwickelt haben, glaubt sie ihr posttraumatisches Wachstum eher dann, wenn sie ihr Trauma erfolgreich bewältigt haben. »Nur wer nach vorne blickenkann und offen ist für neue Erfahrungen, der hat eine Chance auf Wachstum«, so Zöllner.
Ob Menschen nach einem schrecklichen Erlebnis eine PTBS entwickeln, hängt aber gar nicht so sehr von der Persönlichkeit ab. In erster Linie spielt es eine Rolle, welcher Art der Schicksalsschlag war, den sie erlitten haben. Opfer sexueller Gewalt tragen das höchste Risiko, nachhaltig traumatisiert zu werden. Mehr als jeder Zweite entwickelt eine PTBS. Unter Gefolterten und Menschen mit Kriegserlebnissen ist es jeder Dritte; körperliche Gewalt hat in 17 Prozent der Fälle eine PTBS zur Folge und schwere Unfälle nur bei sieben Prozent der Betroffenen. »Die Persönlichkeit spielt erst in zweiter Linie eine Rolle«, sagt Zöllner.
Auch das Umfeld trägt dazu bei, wie ein Mensch ein Trauma verarbeitet. Denn die soziale und emotionale Unterstützung ist dabei von großer Bedeutung – dass andere Menschen dem Betroffenen in einer schwierigen Situation nahe sind und zu ihm halten.
Bedeutsam ist zudem, wann das Trauma passiert ist. Konnte die Person zunächst eine behütete Kindheit genießen, dann eine Familie gründen oder sich im Beruf etwas aufbauen – oder hat die Traumatisierung bereits im Kindesalter stattgefunden, bevor sich die Person als lebenstüchtig beweisen konnte? »Bei einer so frühen Traumatisierung«, sagt Zöllner, »sind die Betroffenen meist zeit ihres Lebens extrem vulnerabel.« Das gilt selbst dann, wenn all ihre Mitmenschen sicher
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