Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
sind, sie hätten es mit einer starken Persönlichkeit zu tun.
Auch wenn das posttraumatische Wachstum bei traumatisierten Menschen oft ein Luftschloss ist: Mit einer Psychotherapie lässt sich häufig doch noch echtes Wachstum hervorkitzeln. Das hat sich zunächst bei Brustkrebspatientinnen und auch bei Opfern sexuellen Missbrauchs gezeigt. Andreas Maercker und Tanja Zöllner haben dies im Jahr 2010 aber auch für die von ihnen untersuchten Unfallopfer bestätigt. Denjenigen, die erfolgreich eine Verhaltenstherapie absolvierten, um ihre traumatischen Erfahrungen zu bewältigen, wurde hernach ein Zuwachs an persönlicher Stärke attestiert – womöglich hervorgerufen, weil sie die herausfordernde Therapie bewältigthaben. Eine kognitive Verhaltenstherapie ist kein Zuckerschlecken. In ihr werden traumatisierte Menschen direkt mit dem konfrontiert, was sie eigentlich von sich schieben wollen. Zwar kann Verdrängen auch gut sein. Aber bei Menschen mit PTBS ist die Angst vor einer Wiederkehr des Erlebten so groß, dass das Wegschieben sie in ihrem Leben beeinträchtigt. Es befreit sie nicht, sondern hindert sie daran, ihren Alltag ungezwungen zu leben. Schwer traumatisierte Unfallopfer etwa steigen oft lange nicht mehr in ein Auto ein. »Ziel ist es, ein solches Vermeidungsverhalten aufzulösen«, sagt der Gesundheitspsychologe Ralf Schwarzer. So werden Menschen angehalten, nach einem Unfall wieder Auto zu fahren, wieder mitzufahren, wenn ein anderer am Lenkrad sitzt, oder auch wieder schneller zu fahren – je nachdem, wo ihre Ängste liegen.
In einer Therapie sollen die Betroffenen ihre Ängste daher möglichst noch einmal durchleben und die furchtbaren Ereignisse der Vergangenheit als Vergangenheit abspeichern. Dazu fahren die Therapeuten mit den Unfallopfern wirklich Auto.
»Hilfreich ist es immer, aus der Opferhaltung herauszukommen«, erläutert die Trauma-Expertin Zöllner. Denn wenn man sich selbst als Opfer sieht, gibt man die Verantwortung für sein Leben an Dritte oder an die Umstände ab. Beides kann man nicht leicht beeinflussen. »Es ist wichtig, dass diese Menschen die Verantwortung für das eigene Erleben wieder übernehmen«, so Zöllner. Die Therapeutin versucht ihren Patienten daher aus ihrer hilflosen Position herauszuhelfen, indem sie ganz konkret fragt: Wo kannst du Einfluss nehmen? Was dagegen gilt es zu akzeptieren? Sie hält die Patienten dazu an, sich selbst zu sagen, dass sie nun nicht mehr gegen die Erinnerungen kämpfen. Dass sie nicht mehr ständig grübeln sollen, um nicht in der Vergangenheit gefangen zu sein.
Wie wichtig es ist, trotz aller Widrigkeiten die Kontrolle über sein Leben zu behalten, hat schon der 1994 verstorbene amerikanisch-israelische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky erkannt. Antonovsky hat sein Konzept der »Salutogenese« (der Entstehung von Gesundheit) entwickelt, das als ein Vorläufer des Resilienzkonzepts gilt. In den 1960er-Jahren hat der Soziologe Frauen untersucht, die den Holocaust überlebt hatten.Das unfassbare Grauen in den Konzentrationslagern konnten manche dieser Frauen überstehen, ohne dauerhaften Schaden an ihrer Seele zu nehmen. Diese Frauen hatten ein Geschick, die Schrecken des Holocausts so zu verarbeiten, dass selbst diese »verständlich, kontrollierbar und sinnhaft« erschienen, so Antonovsky.
Der Wiener Psychiater Viktor Frankl hielt die Suche nach dem Sinn sogar für den wesentlichen Aspekt. Der »Wille zum Sinn« sei noch tiefer im Menschen verwurzelt als der Wille zur Lust und der Wille zur Macht, so Frankl, der ebenfalls mit Opfern des Holocaust arbeitete.
Auch wenn es noch viele offene Fragen zum posttraumatischen Wachstum gibt, eines ist gewiss: Angehörige, Freunde und Bekannte dürfen von Menschen niemals erwarten, dass sie an ihren Krisen wachsen. Das haben auch Tedeschi und Calhoun schon betont. Ärzte und Therapeuten sollten ihren Patienten deshalb ganz deutlich sagen, dass sie keine Versager sind, wenn es ihnen nicht gelungen ist, gestärkt aus ihrer schrecklichen Situation hervorzugehen. Gleichzeitig aber sollten sie jenen, die sich ein posttraumatisches Wachstum wohl nur einbilden, ihre Illusion nicht nehmen – solange sie die Verarbeitung des Traumas nicht blockiert. »Wenn Menschen Wachstum wahrnehmen, sollten sie darin unterstützt und ermutigt werden«, sagt Andreas Maercker. »Therapeuten sollten ihnen ihre eigenen Deutungen, Interpretationen und Wege der Verarbeitung oder Erholung lassen.«
Ist echtes
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