Resteklicken
her.
Mein Leben wird sich endlich wieder zum Positiven wenden. Und Steffi kann mich mal!
Irgendwann gegen achtzehn Uhr sitze ich Bier trinkend mit Max auf seiner Couch und gucke fern.
Irgendein Scheiß über den Mauerfall.
»Dabei ist doch noch gar nicht November«, sagt Max und pult gedankenverloren am Flaschenetikett.
»Die fangen immer schon ein paar Wochen vorher damit an«, sage ich.
Sowieso egal, was läuft.
Lieber Schabowskis Pressekonferenzfresse, als ständig an Steffi zu denken. Was ich in diesem Moment schon wieder tue.
Ich nehme einen großen Schluck Bier und starre auf die Mattscheibe, in der Günther » IM Unvorbereitet« Schabowski mal wieder die legendäre Frage eines Journalisten beantwortet.
JOURNALIST : Wann tritt das in Kraft?
SCHABOWSKI : Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich.
Dann wird er weiter mit Fragen bezüglich Ausreise, Aufrüstung und vor allem Mauer torpediert, welchen Sinn die denn nun hätte, während sich die ersten Ossis schon auf den Weg machen, ein Schwarm Heuschrecken in fieser Kleidung, nur um ein Vielfaches apokalyptischer als in der Bibel.
Und einen Bildschnitt später ist sie dann auch schon da, die Begrüßungsgeldschlange: Tausende DDR -Bürger inmitten einer Blechkarawane, stone-, marmor- und wasweißichnichtalles-washed, aufgelöst und überglücklich, aufgeweckt und neugierig, wir wollen nur mal gucken, wir kommen wieder, wir sind’s, das Volk, schönen Tag auch, wo geht’s zum KaDeWe?
»Deine drei Lieblings-Ost-Namen?«, frage ich. »Männlich.«
»Ringo, Silvio, Dustin«, sagt Max. »Frauen?«
»Schantall, Cindy, Samansa«, sage ich, und wir müssen lachen.
»Was hältst du von Peggy?«, fragt Max. »Oder Doreen?«
»Gefällt mir«, sage ich. »Aber Silvio ist auch echt der Knaller. So ein scheiß Ost-Name!«
In meinem Schrank hängt noch ein altes, muffeliges T-Shirt, das habe ich aufgehoben, »9. November 1989 –
I was there« steht drauf, ich bin im Übrigen wirklich damals dort gewesen, mit meinen Eltern, alles ziemlich unaufregend und vom Niveau her auch nicht viel anders als später die Veranstaltungen im Megapark auf Malle.
»Noch ’ n Bier?«, fragt Max.
»Ach doch«, sage ich und zünde mir eine Zigarette an.
Unter dem Applaus und Gejohle der Westberliner Schaulustigen setzen sich die Trabbis und Wartburgs in Bewegung, wir können’s nicht fassen, wir sind gleich nach der »Tagesschau« los, und hier und da werden Blumen und Pappbecher voll Sekt in Autos gereicht, in denen Männer und Frauen mit Fußballermatten und Schnurrbärten sitzen. Und Weintrauben und Bananen gibt’s natürlich auch, ganz viel frisches Obst, so als hätten die Ossis vierzig Jahre Chiquita und Dole nachzuholen gehabt, »die Stadt, die ich immer vermisst habe«, sagt eine etwa Neunzehnjährige mit pinkfarbenen Ohrenschützern, »… glaube ich«, fügt sie hinzu, und dann beißt sie in eine unsorgfältig geschälte Orange.
Ein Wunder eigentlich, dass die DDR nicht an Skorbut verendet ist, oder an Beriberi.
»Die Montagsdemonstrationen in Leipzig, Jena und Plauen führten zum Ende der DDR «, sagt eine Stimme aus dem Off, »und zur deutschen Wiedervereinigung.«
»Gibt’s nichts anderes?«, stöhnt Max. »Seit Jahren die gleiche Scheiße!«
Ich nehme die Fernbedienung und schalte um.
Irgendwann am Abend öffne ich die Augen.
Ich muss eingeschlafen sein, denn ich erinnere mich undeutlich daran, dass ich irgendwas von Steffi geträumt habe, und jetzt habe ich Herzrasen.
»Ach, der kleine Prinz ist aufgewacht«, sagt Sascha.
»Na dann, Prost«, sagt André und drückt mir ein Bier in die Hand.
Mir ist kalt, und ich zittere ein bisschen. Sofort nehme ich einen großen Schluck Bier. Der Fernseher ist aus. Stattdessen läuft Musik. »Was macht ihr denn hier?«, frage ich.
»Was machen wir wohl hier, du Schwachkopf«, pikst Sascha. »Wir trinken uns einen und gehen feiern! Es ist Samstag!«
»Feiern«, wiederhole ich und zünde mir eine Zigarette an. »Ich weiß nicht so genau.«
»Is ja was ganz Neues«, grinst André.
»Und morgen dann Fußi.«
Ach ja, da war was. Die drei sind Fußballspielen mit ein paar Leuten. Und ich soll auch mit. Ich habe zwar keinen Bock, aber Sport soll in meiner Situation ganz gut helfen. Steht jedenfalls so in meinem »Liebeskummerbuch für Männer«, das ich dann doch mal eines Abends durchgelesen habe, und dessen Quintessenz – grob zusammengefasst – lautet, dass Männer
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