Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Resteklicken

Resteklicken

Titel: Resteklicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meschner Moritz
Vom Netzwerk:
gibt, dann erwarten mich da doch dieselben stumpfen Durchschnittsmenschen, die mir täglich auf der Straße, in der U-Bahn oder an der Supermarktkasse auf die Eier gehen. Diese ganzen Pauschal-Hotel-Urlauber eben. Und es muss ziemlich ätzend sein, wenn man morgens in den Garten Eden kommt und auf allen Sonnenstühlen und Hollywoodschaukeln schon Handtücher liegen.
    »Ich bin gleich da«, sage ich, als hätte ich meine Mutter gar nicht verstanden und lege auf.
    Dann renne ich aufs Klo und wische mir mit kaltem Wasser die Schminke und die Rest-Alk-Falten aus der Fresse, ziehe ein Cap auf und stürme die Treppen runter, während mein iPhone wieder fröhlich vor sich hin klingelt.
    Unten reiße ich die Tür auf und umarme meine Mutter.
    »Soooo, da bin ich dann auch schon, und jetzt nichts wie los, ich freu mich wirklich sehr, dass wir uns mal wieder sehen, ach, da hinten steht ja das Auto, und Papa sitzt auch drin, na, dann lass uns mal, Mann, freu ich mich, komm, Mama, komm, komm, Möbel Höffner haste gesagt, super, ich freu mich, stimmt, nächste Woche hab ich ja Geburtstag, komm, Mama, komm, aber is wirklich schön, euch mal wieder zu sehen, wie geht’s denn, nu komm, Mama!«
    »Aber Papa muss doch mal.«
    »Jaja, is doch nur ’ne halbe Stunde Fahrt bis zu Höffi, das wird er ja wohl, ach, warst du beim Friseur, nu komm, keine Müdigkeit vorschützen, wir wollen ja heute noch nach meinem Geschenk gucken, was war es denn noch mal, komm doch jetzt.«
    »Wir wollten dir ein Spiegelschränkchen für dein Badezimmer kaufen.«
    »Spiegelschränkchen, toll, ich freu mich, komm mal jetzt, Spiegelschränkchen, brauch ich, das Licht im Bad geht ja nicht, und aus der Wand guckt nur noch die Elektrik raus, was ihr euch alles einfallen lasst, Mann, toll, ich freu mich so, komm mal, guck, der liebe Sohn, der macht dir sogar die Autotür auf, ist doch toll, ich freu mich, ich setz mich nach hinten, fahr doch mal los, Papa.«
    Mein Vater dreht sich zu mir um und sagt: »Ich muss mal. Ich hab ganz viel Tee getrunken.«
    »Ach, Dietmar«, nölt meine Mutter ihn plötzlich an. »Ist doch nicht weit bis zu Höffi. Stell dich mal nicht so an.«
    »Aber ich …«
    »Warst du beim Friseur, Papa?«, unterbreche ich ihn fieberhaft. »Steht dir gut, die Frisur.«
    Sage ich und starre auf seine Glatze.
    Eine Dreiviertelstunde später sitzen Mama und ich im Höffner-Restaurant »Kochmütze« und warten auf meinen ­Vater, der seit ein paar Minuten auf dem Klo ist. Ich stochere lustlos in meinem Gartensalat herum, während meine Mut ter behutsam ein Stück Erdbeertorte auf ihrem Teller zerteilt.
    »Du siehst nicht gut aus, Junge. Bist du krank?«
    »Nein, Mama«, beruhige ich sie. »Alles in Ordnung.«
    »Ist es wegen Steffi?«, fragt sie mich.
    »Nein … is … wirklich alles okay.«
    Glücklicherweise kommt genau in diesem Augenblick mein Vater und setzt sich zu uns an den Tisch.
    »So, jetzt bin ich aber erleichtert«, sagt er.
    Ich auch.
    »Marianne, hast du denn an meine Bockwurst gedacht?«
    »Liegt doch vor dir.«
    »Ach ja«, sagt er und beißt herzhaft in einen dicken Pornoprügel, dem sofort ein ekelhaftes »Knack« entweicht.
    Ich kann nichts essen. Aber einen Wodka O würde ich runterbekommen.
    »Wie geht’s dir denn, Junge?«, fragt Papa mich mit seiner Senfschnute. »Du siehst nicht gut aus.«
    Wenn ich ihm sagen würde, wie es mir geht, würde er es gar nicht verstehen. Liebeskummer ist meinem Vater so fremd wie Johannes B. Kerner journalistisch anspruchsvolle Fragen. Ich glaube nicht, dass mein Vater jemals an gebrochenem Herzen gelitten hat. Er ist ja auch schon seit fast fünfunddreißig Jahren verheiratet. Und seine Standard-Antwort kenne ich sowieso: »Andere Mütter haben auch schöne Töchter«. Diese hohle Phrase drischt er gerne mal.
    »Mir geht’s gut, Papa.«
    »Na, dann.«
    Er schiebt sich den letzten Wurstzipfel in den Mund und spült mit einem ordentlichen Schluck rotem Tee nach.
    »Hast du mal deine Badezimmerwand ausgemessen?«
    Ich glotze ihn fragend an.
    »Hast du deine Badezimmerwand ausgemessen?«
    Welche Sprache spricht dieser Mensch?
    »Wegen dem Spiegelschränkchen. Ich hatte dir doch gesagt, du sollst mit dem Zollstock deine Badezimmerwand ausmessen.«
    Wusste gar nicht, dass mein Vater so witzig sein kann. Natürlich habe ich NICHTS ausgemessen. Das letzte Mal, als ich vor meiner Badezimmerwand stand, habe ich ins Waschbecken gekotzt. Das war heute nach dem Zähneputzen. Beziehungsweise davor. Ich

Weitere Kostenlose Bücher