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Resteklicken

Resteklicken

Titel: Resteklicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meschner Moritz
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der Hand lesen?«
    »Nein, danke«, sage ich und suche auf dem Boden des Glases weiter nach Antworten.
    »Kostet auch nix.«
    Wär ja auch noch schöner, denke ich, aber da hat ihre verschuppenflechtete Hexen-Hand schon die meine umklammert.
    »Ich sehe … Ulla, machste mir noch ’ n Pfläumchen?! … Ich seeehe …«
    Lass mich raten, Oma. Großes Leid?
    »Groooßes Leid!«
    »Wow«, sage ich künstlich beeindruckt.
    »Es geht dir nicht gut.«
    »Sind Sie Ärztin?«
    »Du hast Kummer. Großen Kummer.«
    Sie ist fast besser als die Tarot-Betrügerinnen im Fernsehen. Ich ziehe vorsichtig meine Hand zurück, denn ich will nicht, dass das hier noch wirklich unheimlich wird.
    »Ich glaub an so was nicht«, lüge ich. »Sorry.«
    »Ich wollte dir nur helfen«, sagt das zahnlose Orakel und inhaliert ihren Pflaumenschnaps.
    Ich mache es ihr mit meinem Bier nach und bestelle ein neues.
    Unnötig zu erwähnen, dass ich am frühen Abend ­wieder ziemlich die Lampen an habe. Unnötig zu erwähnen, dass ich ständig an Steffi denke und wieder kurz ­davor bin, ihr eine Tourette- SMS zu schicken. Unnötig zu erwähnen, dass ich mich trotzdem weiter volllaufen lasse.
    Inmitten dieser illustren Runde von krankgeschriebenen Alkis drängt sich mir plötzlich die Frage auf, ob ich mal so werde wie sie. Nein, eigentlich die Frage, ob ich so BIN wie sie. Und falls ja, ob ich so bleibe.
    Ich stelle mir vor, wie ich auch in dreißig Jahren meinen Tag mit einem gemütlichen Frühstückspils einläute, um meinen Zittermann wegzukriegen, und dass ich mir dann zu Hause noch zehn weitere Hopfenschorlen gebe und am Nachmittag mit meinem Düsenrucksack und den Worten »Ein Kleines, bitte« in die Kneipe geflogen komme, nur um neben Wimmer-Wimmer in meinem Bierglas nach der Quadratur des Kreises zu spähen.
    NEIN !
    So WERDE ich nicht enden! So wird, so DARF mein Leben einfach nicht weitergehen!
    »Rechnung!«, rufe ich, obwohl Ulla direkt vor mir steht.
    Als ich am nächsten Morgen aufwache, habe ich den Geschmack von totem Zobel im Mund, und mein Kehlkopf tut weh. Mein Gesicht natürlich auch.
    Die Rekapitulation des gestrigen Abends will mir nicht so recht gelingen. Zwischen vielen schwarzen Löchern erinnere ich mich nicht minder dunkel daran, dass ich noch zwei ­Flaschen Wein und eine Big Box Pall Mall an der Tanke gekauft und ein kleines Mädchen angepöbelt habe, das mit ­seiner Mutter vor mir stand und sich partout nicht zwischen Smarties und Schoko-Crossies entscheiden wollte. Wenn ich das noch richtig zusammenkriege, dann hat das Mädchen ­angefangen zu weinen und »Mama, der Mann riecht nach Mon Chéri« gesagt. Ganz sicher bin ich mir da allerdings nicht.
    Sehr sicher ist aber, dass ich noch den ganzen Abend vor Facebook gesessen und irgendwelche Hammermodels als Freundinnen angefragt habe, die mein Profil deutlich aufpoliert hätten. Leider haben genau null von ihnen meine Gesuche bestätigt. Dafür bin ich über Nacht wohl Fan der Pornodarstellerin Sasha Grey geworden. Wenigstens etwas.
    Und ich habe gestern mit Gott gechattet.
    Glaube ich.
    Oder mit jemandem, der sich als Gott ausgegeben hat. Die Chancen stehen natürlich auch nicht schlecht, dass ich das nur geträumt habe. Seltsamerweise kann ich mich an den Chat-Verlauf aber noch sehr gut erinnern.
    Gott
    Gott war online.
    Ich
    Hi, ich bin’s … Moritz.
    Gott
    Moritz? … Da klingelt bei mir nix.
    Ich
    Witzig.
    Gott
    Wollte dich nur ’ n bisschen verarschen. Wie geht’s dir?
    Ich
    Das weißt du genau! Ich will Steffi zurück!
    Gott
    Und ICH will, dass in deinem Badezimmer endlich Licht wird! Hast du dein Spiegelschränkchen schon angeschraubt?
    Ich
    Witzig.
    Gott
    Mann, Moritz. Ich KANN dir Steffi nicht zurückgeben.
    Ich
    Warum denn nicht???
    Gott
    Sie ist jetzt mit Arschfotzenkopf zusammen.
    Ich
    Er heißt Silvio.
    Gott
    Ich weiß. Aber er sieht doch aus wie ein Arschfotzenkopf, oder?
    Ich
    Hast recht.
    Huhu? Bist du noch da?
    Gott
    Jaja. Musste nur gerade ein paar Streukrebse und einen apfelsinengroßen Hirntumor verteilen, an dem sich die Ärzte ihre Zähne ausbeißen werden.
    Ich
    Du bist der Boss!
    Und jetzt gib mir Steffi zurück!
    Gott
    Wieso sollte ich das tun?
    Ich
    Hallo? Auch DAS weißt du! Sie ist mein Alpha, mein Omega, die Liebe meines Lebens!!!
    Gott
    Schon mal darüber nachgedacht, dass Silvio das Gleiche über sie denkt?! Und dass SIE umgekehrt genauso für IHN empfindet?
    Ich
    DAS IST JA DAS PROBLEM! UND NUR DU KANNST ES ­LÖSEN!
    Gott
    Bist du

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