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Resteklicken

Resteklicken

Titel: Resteklicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meschner Moritz
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jemand von euch zufällig was zu Trinken mit?«, fragt Sascha plötzlich.
    Max greift in seinen Rucksack und zieht eine Plastikflasche raus.
    »Wodka O gefällig?«
    »Alter«, rufe ich, »du bist mein Held!«
    Ich nehme einen ordentlichen Schluck und gebe die Flasche dann an Sascha weiter.
    »Boah, herbe Mische.«
    Sascha verzieht sein Gesicht.
    »Halb-Halb«, sagt Max.
    »Meine Mutter hat mich angestupst«, sage ich und trinke einen weiteren großen Schluck.
    »Was?«
    Ich zeige ihnen den kleinen blauen Finger auf dem Display.
    »Meine Mutter hat mich angestupst.«
    Seit zwei Tagen ist sie auch bei Facebook.
    Ich hätte sie nicht als Freundin bestätigen sollen.
    Jetzt hat sie mich nicht nur angestupst, sie hat sogar an meine Pinnwand geschrieben.
    »Alles Liebe zum Geburtstag, Kleiner! Auch von Papi.«
    UND sie hat ein Fotoalbum mit Bildern von mir kommentiert. Meine MUTTER !
    »Warst Du da betrunken?«, schreibt sie.
    Da, wo ich ohne Hosen in der Ecke liege und schlafe?
    Da, wo ich gegen eine Hauswand pisse und schlafe?
    Da, wo ich fast an Saschas Erbrochenem erstickt wäre?
    Nein, Mama, da war ich nüchtern. Alkohol trinke ich nur zu ganz besonderen Anlässen. Wenn es draußen dunkel ist, zum Beispiel.
    Oder hell.
    Zum Beispiel.
    »Deine Mom ist ja ziemlich up to date für ihr Alter.«
    »Arbeitet doch auf ’ nem Amt«, antworte ich. »Irgend ’ ne jüngere Kollegin hat ihr neulich Facebook gezeigt. Sie hat aber auch nur zwölf Freunde.«
    Und sie hat mich angestupst.
    Als ich das letzte Mal jemanden im echten Leben angestupst habe, war das im Kindergarten, und dieser Jemand hat mich daraufhin viel doller zurückgestupst, und dann ich wieder ihn und so weiter, und am Ende haben wir beide geweint, nur ich ein bisschen lauter.
    Ich will nie wieder angestupst werden.
    Höchstens von Steffi.
    Der LKW macht eine ruckartige Bremsung, und ich stolpere direkt in den flauschigen Rücken eines mir unbekannten Rammlers.
    »Alter«, sage ich. »Wie fährt der Idiot denn?«
    »Alles aussteigen, hier ist Endstation«, ruft eine Stimme von der Straße.
    Es ist Omar, der Teamleiter. Er hat ein fettes Grinsen im Gesicht. Mit einem lauten Knall fällt die Ladeklappe, und wir Hasen springen raus.
    Eine halbe Stunde später stehen Max, Sascha, André und ich an einem Bahnhofskiosk und trinken Bier. Die Zettel, die wir verteilen sollten, liegen sorgfältig gefaltet im Papierkorb neben uns. Ich habe etwas Bier auf mein Hasenkostüm gekleckert.
    »Die Typen eben waren echt krass, oder?«
    Sascha hat noch immer einen leichten Schock.
    Als wir zu viert über den Bahnhof gehoppelt sind, wollten uns sofort ein paar besoffene Punks auf die Fresse hauen. Auf jeden Fall haben sie an Saschas Ohren gezogen und ihn angepöbelt.
    »Hätte wirklich böse ausgehen können«, sage ich. »Du hättest aussehen können wie ich.«
    Mein Gesicht hat sich in den letzten Tagen von Dunkellila in ein leicht schorfiges, noch dunkleres Dunkellila verschlimmert.
    Sascha hebt seine Bierflasche.
    »So, dann jetzt noch mal richtig: Herzlichen Glückwunsch, mein Lieber!«
    »Von mir auch«, schließt sich André an.
    »Danke.«
    »Leider haben wir nichts für dich«, sagt Max ein bisschen so, als wäre ihm das eigentlich egal.
    »Ihr habt mir schon das schönste Geschenk gemacht. DIESER tolle Tag und EURE Hackfressen dazu, mehr geht nicht!«
    »In diesem Sinne«, sagt Sascha, und wir prosten uns zu und trinken.
    Da ist sie also jetzt, die einunddreißig. Wenn es die dreißig wäre, dann könnte ich sie wenigstens als Grund für meine Depressionen vorschieben. Aber die ein­unddreißig beeindruckt in Sachen Schwermut niemanden.
    Und selbst letztes Jahr war bei meinem Geburtstag alles in Ordnung. Er war sogar sehr lustig, und es gibt auch noch ein tolles Foto von meiner Party, auf der Steffi und zwei weibliche Bekannte von mir zu sehen sind, und sowohl meine beiden weiblichen Bekannten als auch Steffi haben das Foto später mit einem Daumen nach oben bewertet.
    Dieses Jahr gibt es keine Party und keinen Daumen nach oben, sondern nur Hasenscheiße. Ich auf einem lauten Bahnhof in einem kratzenden Kostüm, dessen Fell­färbung entsprechend meiner Stimmung irgendwo zwischen Kack- und Seelenknacksbraun liegt.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragt Sascha. »Hier is mir das Bier zu teuer.«
    »Keine Ahnung«, sagt Max. »Lassen wir doch unser Geburtstagskaninchen entscheiden.«
    Ich streiche eines der beiden herabhängenden Schlappohren aus meinem Gesicht.
    »Lachst du

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