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Resteklicken

Resteklicken

Titel: Resteklicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meschner Moritz
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Ich zünde mir eine Zigarette an und gehe los. Wohin ich will, weiß ich nicht. Am besten wäre natürlich die nächstliegende Geschlossene. Eine billige Eckkneipe, in der ich mich zu Tode saufen kann, tut es aber fürs Erste auch.
    »Moritz?«
    Komisch. Für einen kurzen Moment dachte ich tatsächlich, dass meine Lieblingsstimme gerade meinen Namen gesagt hätte. Muss wohl eine Nachwirkung des Telenovela-Auftritts von eben sein. In der Realität passiert so etwas nicht. Nie.
    »Moritz!«
    Moment. Das IST Steffis Stimme!
    Ich drehe mich um.
    Sie rennt auf mich zu.
    Sie weint.
    Sie umarmt mich.
    Sie sagt Sachen wie »Es tut mir doch auch so leid« und »Ich weiß, dass ich auch nicht immer die Beste war«. Wenn sie mich jetzt noch mit portugiesischem Akzent nach den Ölpipeline-Plänen meines Adoptivvaters fragt, bin ich wohl wirklich in einer Telenovela.
    »Steffi … ich …«
    Ruhig, Brauner! Einfach mal Fresse halten! Schließe sie in deine starken Ölimperium-Erben-Arme! Atme den Duft ihrer brasilianischen Haarpracht ein! Und das Wichtigste gerne noch mal: Halt die Fresse!
    Ich schließe sie in meine Arme, atme den Duft ihrer Haare ein und halte die Fresse.
    I gotta feeling
    That tonight‘s gonna be a good, good night …
    Yeah! It will be! Nein, it IS schon! Warum auch immer.
    Charlie’s back!
    Und der kleine Moritz lässt sich einfach fallen.

Im Auto lege ich meine Hand auf Steffis Knie.
    Ich habe keine Ahnung, was hier los ist, aber ich fühle mich wie ein Embryo in der Fruchtblase. Und das Fruchtwasser ist hochprozentig. Ich bin aufgedreht und verwirrt und auch ein bisschen nervös, denn so wie der Abend sich bislang entwickelt hat, kann eigentlich alles passieren.
    Vielleicht verwandelt sich der Nieselregen ja in körnigen Frischkäse.
    Vielleicht kommt eine Horde von fröhlichen Bob-Ross-Klonen und pinselt die Straße Titanium-Weiß.
    Vielleicht fahren wir auch einfach gegen einen Baum, und ich wache auf.
    Steffis wippendes Knie und die dazu passende Wipp-Musik, die in Vulkanausbruchsstärke aus dem Radio donnert, geben mir allerdings das starke Gefühl, dass dies die Realität sein muss.
    »Voll der geile Song, ne?«
    » › Disco Pogo ‹ ?«, rufe ich.
    »Ja. Die Atzen. Magste nich?«
    »Nein. Ich hab ’ ne Atzenallergie!«
    »Blödmann«, lacht Steffi, und ich lache mit, und das fühlt sich absolut real an.
    Ich bin so gut drauf wie ein dümmlich grinsender Teilnehmer bei » Takeshi ’ s Castle « . BEVOR er auf einen lockeren Stein tritt oder mit einem Ball von der Hängebrücke geschossen wird. Heute Abend kann nichts mehr schiefgehen, so viel ist sicher. Kein lockerer Stein, keine noch so wackelige Hängebrücke bringt mich aus dem Gleichge wicht. Tonight ’ s gonna be a good, good, GOOD , GOOD night . Ich lehne mich entspannt in den Beifahrersitz und schaue auf die Straße. Seltsam. Das kommt mir hier alles gar nicht bekannt vor.
    »Wo fahren wir eigentlich hin?«
    »Zu Silvio«, sagt Steffi und deutet auf das Handschuhfach. »Kannst du mir da mal ’ ne Zigarette rausgeben?«
    Und schon bin ich ein dümmlich grinsender Spargel­tarzan in neonfarbener Badehose, der auf einer Hängebrücke einen Ball in die Weichteile bekommt.
    »Nun guck nicht so! Wir müssen mit ihm reden!«
    »Reden?! Mit … SILVIO ?!«
    Genau in diesem Moment beginnt meine linke Wange zu schmerzen wie eine alte Kriegsverletzung, wenn das Wetter umschlägt oder der D-Day sich jährt.
    »Das ist doch wohl ein Scherz!«
    Steffi schaut mich aus großen lieben Rehaugen an und fängt plötzlich wieder an zu lachen.
    »Natürlich ist das ein Scherz! Was dachtest DU denn?!«
    So ein Biest! Da hat sie mir doch gerade zwei Jahre meines Lebens geklaut! Einfach großartig, diese Frau!
    » DISCO POGO !«, brülle ich und fange dann wie wild an, meinen Kopf zu bangen. Dabei muss ich so laut lachen, dass ich selbst die Atzen übertöne.
    »Hallo?«, jauchzt Steffi. »Gibst du mir jetzt endlich die Kippen?!«
    »Jaja«, sage ich mich langsam beruhigend, nehme die Schachtel aus dem Handschuhfach und zünde uns beiden eine Zigarette an.
    Dann küsse ich Steffi auf die Wange.
    Da ich keine gewischt kriege, küsse ich sie gleich noch mal. Sie lächelt und macht Tanzbewegungen mit ihrem Oberkörper, und sie singt, und ich steige direkt wieder mit ein: » DINGERLINGERLING! UND ALLE ATZEN SINGN !«
    Das ist also UNSER Lied! Sehr schön, denn wenn ich mich recht erinnere, hatten wir vorher keins. »Disco Pogo« von den Atzen. Das wird folglich

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