Resturlaub
von einer richtigen Stadt mit Strand, in der man mit seinen Freunden abends in einem Cafe sitzen konnte, um dann später noch den einen oder anderen Cocktail in einer Bar zu vernichten. Einer Stadt, in der Electro liefen statt Rod Stewart und House statt Udo Jürgens. Unsere jährlichen Männerurlaube taugten nicht wirklich als Fluchtversuch, denn dort endeten eben diese Träume in eher teutonisch geprägten Strandbars, in denen wir alle zusammen »Geh zu Hause, alte Scheiße« grölten, um dann gegen vier Uhr rotzbesoffen in unser Mittelklassehotel zu fallen. Am nächsten Tag verbrannten wir uns dann wieder unsere Rücken, weil wir uns nicht gegenseitig eincremen wollten aus Angst, das sähe schwul aus. Letztendlich waren wir auch nicht besser als Schlenkerla-Babsi und die quer parkenden Klorollen-Schwaben vor dem Hotel Luitpold.
Vor vier Jahren war es dann vorbei mit den puren MännerUrlauben, unsere Freundinnen und Frauen wollten mit und seit diesem Punkt wurde alles braver, die Kater erträglicher, die Rücken weniger rot. Vor zwei Jahren dachte ich zum ersten Mal, dass es eigentlich keinen Grund mehr gab, überhaupt noch wegzufahren. Die Zeit war vorbei. Unsere und die der Baller-mann-Partymeile sowieso. Nur schien sich das noch nicht herumgesprochen zu haben bis zu meinem Freundeskreis, denn noch bevor ich auch nur einen Versuch unternehmen konnte, wenigstens einmal das Hotel zu wechseln, präsentierte mir Biene vor zwei Monaten den Buchungsbeleg für drei Wochen »El Corazon, Arenal«.
»Drei Wochen?«
Ich hatte zwar noch ziemlich viele Tage Resturlaub vom vergangenen Jahr bis spät in den Sommer retten können, aber natürlich hatte ich nicht vor, fast einen ganzen Monat in El Arenal zu verbringen.
»Ab der zweiten Woche erholt man sich erst richtig«, erklärte
mir meine Freundin Biene.
»Sagen die im Reisebüro?«
»Stand in der Freundin!«
Natürlich. Einen Artikel mit dem Thema Kann es das schon gewesen sein? hatte ich noch nie da drin entdeckt.
»Freust du dich gar nicht?«
»Doch«, log ich, »ich freu mich sogar ziemlich!«
Dann schnappte ich mir mein Fahrrad und fuhr eine Stunde über die Felder, so wie ich es immer tat, wenn ich nicht weiter wusste. 17,3 Kilometer stand danach auf dem Tacho.
Weiter weg kam ich nicht.
Noch nicht.
Schnitzelteppich
»WIE? NACH NÜRNBERCH?«, lautete Checkos entsetzte Frage, als er in einem grünen Sweatshirt verschwitzt am Bahnhof auftauchte. Ich hatte schon eine Weile am Fahrkartenautomaten gestanden mit einer bauchigen Sporttasche, in der ich die Requisiten für Arnes Junggesellenabend aufbewahrte. Vor einer Woche waren wir noch fast zwanzig Mann gewesen und alle fanden die Idee »dodal subber«, mit Arne mal so richtig einen draufzumachen, bevor die Ente ihm den Auslauf verbietet. Leider legte sich die Begeisterung der Freunde und Kollegen in dem Maße, in dem der Junggesellenabend näher kam, und nun standen wir nur noch zu sechst hier und warteten auf den Regionalzug, der uns nach Nürnberg bringen sollte: Checko, Jason, Arne sowie Arnes Redaktionskollegen bei Deutschlands viertkleinster Jagdzeitschrift. Sie hießen beide Klaus und waren nicht wirklich leicht auseinander zu halten, aber das war nicht schlimm, weil der einzige Unterschied zwischen Klaus und Klaus darin besteht, dass der eine Klaus zwei Kinder hat und der andere eins. Beide wohnen in einer Doppelhaushälfte in Strul-lendorf, beide fahren einen grünen Range Rover, beide sind knapp unter 40 und tragen einen Schnurrbart.
Alles hatte ich präzise vorbereitet: die Kneipentour, peinliche Junggesellenspiele und einen finalen Besuch in einer Tabledan-ce-Bar, deren Inhaber ich schon vorgewarnt hatte.
Erst jetzt, fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges, kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht auch meine Freunde in die Planung dieses denkwürdigen Abends hätte einbeziehen sollen. Um ganz genau zu sein, kam mir der Gedanke in der Sekunde, als Checko »Wie? Nach Nürnberch?« fragte.
Jason, unser franko-amerikani scher Ex-GI, blickte ebenfalls recht ängstlich auf die Anzeigetafel für die Abfahrt der Züge und der kleinere von Arnes Kollegen aus der Wald & WildRedaktion zündete sich nervös einen Tankstellen-Zigarillo an. Auch der Rest meiner Gruppe verstand unter einem Abend in Nürnberg offenbar eher eine Bedrohung als eine Party.
»Jetzt kommt schon, das gibt einen Riesenspaß!«, versuchte ich die anderen zu begeistern und wenigstens Arne nickte in einer Mischung aus unsicherer Vorfreude
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