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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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sah, wie ein Lächeln seine Lippen umspielte, als amüsiere er sich über etwas, von dem nur er wusste.
    Von der Seite der Bühne trat eine junge Frau zu ihm. Ihre nackte Kopfhaut glänzte in dem bernsteinfarbenen Licht. Trotzdem war sie nicht ganz kahl: Dunkles Haar stand wie ein Dornenhalsband vom Schädelrand ab. Im Profil betrachtet hatte sie eine vollkommen gerade Nase und dünne Lippen. Sie trug hartes Leder an Beinen und Armen und eine eng anliegende Tunika.
    Retras Magen flatterte. In Grave zeigten sich die Frauen mit Schleier und schweren, formlosen Gewändern. Sie hielten den Blick gesenkt und sprachen mit leiser Stimme.
    »Mein Name ist Test, Babyfledermäuse. Hört gut zu. Der Berg ist von Pfaden durchzogen, die die Clubs in Ixion miteinander verbinden. Sie sind alle gut ausgeleuchtet und sicher. Doch solltet ihr sie verlassen und euch ins Dunkel wagen, werdet ihr nicht zurückkehren. Denkt daran: Wenn ihr an einem Ort lebt, an dem Dunkelheit herrscht, lebt ihr auch mit den Geschöpfen der Dunkelheit.«
    Retra war, als hauche ihr Tests träge, heisere Stimme die Warnung sanft ins Ohr.
    »Wie machen sie das?«, flüsterte Rollo. »Es ist, als wäre sie in meinem Kopf.«
    Retra beachtete ihn nicht und lehnte sich weiter vor.
    Ein paar ganz Übermütige riefen Buh.
    Lenoir brachte sie mit einem strengen Blick zum Schweigen.
    »Die Wächter …«, fuhr die Frau fort.
    »Die Riper«, zischte Rollo Retra ins Ohr.
    »… sind hier, um euch zu führen und zu schützen. Ihr könnt uns alles fragen, doch hört auf unseren Rat. Wir sind das Recht. Respektiert uns. Versucht nicht … euch mit uns zu verbrüdern. Wir sind tabu.«
    Dieses Mal waren die Buhrufe ohrenbetäubend.
    Test fasste nach Lenoirs Hand – zwei blasse exotische Geschöpfe waren vereint.
    Lenoir ergriff wieder das Wort. »In Ixion gibt es fünf Kirchen auf geweihtem Boden: Vank, Illi, Agios, Goa und Los Fien. Dort könnt ihr gefahrlos ausruhen und wieder zu Kräften kommen. Nur eine, die sechste Kirche, dürft ihr nicht betreten: Die am höchsten liegende, Danskoi, ist unser Reich. Sobald ihr diese betretet, kehrt ihr nicht mehr zurück.«
    Die anderen Riper sammelten sich um Lenoir und Test. Retra versuchte, sich ihre Gesichter zu merken.
    Test sagte: »Nun bleibt nur noch die Reinigungszeremonie, dann könnt ihr beginnen. Trinkt Lava aus den Verteilstationen, dann zieht eure Kleider aus und bringt sie zu den Feuern.«
    Sie zeigte auf die zu Pyramiden geschichteten Äste und Zweige vor dem Zaun, der die Menge von dem Abgrund trennte.
    Für einen Augenblick bewegte sich niemand, bis die Riper durch die Reihen gingen, um sich Hüte zu schnappen, sie in die Luft zu werfen und an den Mänteln derer zu zerren, die sich in Gedanken immer noch in Grave befanden.
    Rollo streifte die lange Hose ab. Darunter trug er nichts.
    Retra schreckte vor seinen baumelnden Genitalien zurück. Ihr Herz schlug hart gegen die Rippen. Doch um sie herum begannen die anderen, es ihm gleichzutun, dann nach den Bechern mit Lava zu greifen und zu den Holzhaufen zu streben. Sie wurde von der Menge mitgerissen. Heiße Körper streiften sie. Das Getränk schien die allgemeine Euphorie noch zu steigern.
    Plötzlich stand ein weiblicher Riper mit schwarz-weiß gesträhntem, hüftlangem Haar und schwulstigen Narben entlang des Haaransatzes neben Retra und zerrte an ihrem Schleier und Mantel. Der Schleier flatterte wie eine verletzte Motte zu Boden, und die graue Wolltunika verfing und verwickelte sich, bis sie an den Stellen, wo sie am meisten abgetragen war, riss.
    Ungeduldig zog die Frau sie wie einen Vorhang auseinander.
    Retra schrie empört auf, doch schon warf die Frau ihre Kleider auf die hoch aufgetürmten Äste zu den anderen.
    Rollo tänzelte davon, um sich in das Gewühl der nackten Leiber zu stürzen, die sich zusammendrängten wie Kinder, die auf ein Lagerfeuer warteten, und ließ Retra, die ihre Blöße mit den Armen zu bedecken versuchte, am Boden kauernd zurück.
    »Du musst rein werden, schmutzige, kleine Fledermaus.« Die Riper-Frau mit den Narben drückte ihr etwas in die Hand. »Trink das. Das bringt dein Blut in Wallung.«
    Als Retra die Tasse an die Lippen führte, bückte sich die Frau, um das, was von ihrer Tunika übrig war, zu öffnen und von ihren Schultern zu schieben. Der Stoff glitt zu Boden, und sie schmierte eine warme, klebrige Substanz über Retras Rücken.
    Doch die Berührung der vernarbten Frau versetzte sie in eine solche Panik, dass sie sich

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